Aufgrund tiefer Zinsen sind Mehrfamilienhäuser heute für viele Leute die Kapitalanlage schlechthin. Manche kaufen Immobilien mit vermieteten Wohnungen als solide Investition, andere weil sie dort wohnen wollen. Es stellen sich knifflige Rechtsfragen: Darf der neue Vermieter wegen Eigenbedarf kündigen? Gilt der Mietvertrag wie bisher? 

Das gibt es tatsächlich: Eine vermögende Privatperson hat 12 Millionen Franken auf dem Konto und träumt davon, das Geld sicher in einem Schweizer Mehrfamilienhaus anzulegen. Ob Zürich, Bern, Luzern, Lausanne oder Olten: Es kommt immer wieder vor, dass Mieterinnen und Mietern zu Ohren kommt, dass ihr Haus verkauft wird.

Neuer Vermieter? Mietvertrag gilt weiter 

Das Schweizer Mietrecht und auch die Bundesverfassung sehen einen Schutz der Mieterinnen und Mieter vor. Wie werden aber im Fall eines solchen Eigentümerwechsels die unterschiedlichen Interessen abgewogen? Juristen und Fachleute zitieren dazu gerne den Grundsatz, der seit 1990 gesetzlich verankert ist: «Kauf bricht Miete nicht.» Der bestehende Mietvertrag und auch die Verpflichtungen des bisherigen Eigentümers gehen zu hundert Prozent an den neuen Eigentümer über. Er muss sich um den Unterhalt kümmern, Reparaturen erledigen etc. Zumindest kurzfristig wird sich nichts ändern. Der neue Eigentümer übernimmt den bisherigen Mietvertrag. Die andere Frage lautet aber, was den Mieterinnen und Mietern mittelfristig blüht. Zunächst ist es durchaus denkbar, dass der neue Vermieter die Mieten überprüft und neu berechnet. Allfällige Mietzinsänderungen müsste der Vermieter mit dem amtlichen Formular mitteilen.  

Was passiert mit der Wohnung? 

Was ein Wechsel des Eigentümers für die Mieterschaft bedeutet, lässt sich aber kaum pauschal beantworten, weil die Käufer erfahrungsgemäss ganz unterschiedliche Ziele verfolgen. Die eingangs erwähnte vermögende Privatperson ist vielleicht froh darum, dass das ganze Haus voll vermietet ist und vorerst kein grösserer Aufwand auf sie kommt. 

Doch manchmal werden Mehrfamilienhäuser gerade deshalb verkauft, weil Renovationen überfällig sind. Oder es handelt sich um eine Erbengemeinschaft, die die Immobilie aus finanziellen Gründen verkauft – weil die Verkehrswerte von Liegenschaften heute sehr hoch sind. Das private Geld reicht nicht, dass ein Erbe das Objekt übernimmt und den anderen ihren Anteil auszahlt. 

Ein erstes Fazit: In vielen Fällen gehen die Vertragsbedingungen und die Mietverhältnisse wie gewohnt weiter. Für die Mieterinnen und Mieter ist die Rechtslage auch mit dem neuen Eigentümer die gleiche wie bisher.  

Spielregeln bei Eigenbedarfskündigung 

Das Gesetz sieht eine wichtige Ausnahme vor: Eine raschere Kündigung der Mietverhältnisse ist möglich, wenn der neue Eigentümer einen dringenden Eigenbedarf geltend machen kann. Das heisst zum Beispiel: Er selbst, seine Ehefrau oder eines seiner Kinder möchten in eine der Wohnungen einziehen. Nach dem Gesetz kann der neue Eigentümer bei Wohn- und Geschäftsräumen mit der gesetzlichen Frist (3 beziehungsweise 6 Monate) auf den nächsten gesetzlichen Termin kündigen – unabhängig von den Fristen im Mietvertrag. Mit «gesetzlichem Termin» ist einfach der ortsübliche Kündigungstermin gemeint. Welche Termine gelten, erfahren Sie bei der örtlichen Schlichtungsstelle. Siehe hierzu auch unseren Artikel: Streit in Mietsachen? Die Schlichtungsstelle vermittelt

Definition Eigenbedarf 

Die Regeln einer Eigenbedarfskündigung sind im Mietrecht verankert (Art. 261 Abs. 2 OR). Der Eigenbedarf muss glaubhaft belegt, konkret und ernsthafter Natur sein. Eigenbedarf heisst auch, dass der neue Vermieter selbst oder nahe Verwandte dort wohnen wollen (und nicht «irgendwelche Kollegen»). Dem neuen Vermieter darf es dabei aus wirtschaftlichen und persönlichen Gründen nicht zumutbar sein, auf die Benutzung des erworbenen und vermieteten Objekts für längere Zeit zu verzichten. 

«Diese Bestimmung soll es privaten Kaufinteressenten möglich machen, eine Akquisition zu tätigen, wenn ein solcher Eigenbedarf ein Motiv für den Kauf ist», sagt Matthias Streiff, der als Rechtsanwalt eine auf Immobilienrecht spezialisierte Kanzlei in Wetzikon (ZH) führt. Für diesen Fall sei es «gesetzlich vorgesehen», dass der Käufer von den sonst geltenden Bestimmungen abweichen kann. 

Ordentliche Kündigung 

In allen anderen Fällen würde es in der Regel mehr Zeit in Anspruch nehmen, den Mietvertrag zu kündigen. Denn da ja die vereinbarten vertraglichen Bestimmungen übernommen werden, gelten dann einfach die vertraglich vereinbarten Kündigungsfristen und –termine. In der Stadt Bern oder in der Stadt Zürich sind zum Beispiel halbjährliche Kündigungstermine üblich; oft sind drei oder sechs Monate Kündigungsfrist vereinbart. Wobei die ortsüblichen Gepflogenheiten regional sehr unterschiedlich sind. Manche Kantone oder Regionen sehen vor, dass Mietverträge mit einer Frist von drei Monaten auf jedes Monatsende kündbar sind. 

Mietvertrag kündigen: Einschränkungen 

«Aus Sicht eines Käufers würde ich vor einem Kauf noch einige weitere Punkte beachten», erläutert Rechtsanwalt Streiff: «Denkbar wäre etwa, dass einem Bewohner ein Wohnrecht eingeräumt ist.» Dieses Wohnrecht wäre nicht wie ein Vertragsverhältnis nach dem Mietrecht kündbar. In der Praxis kann es auch vorkommen,  dass eine mehrjährige Kündigungssperre zu beachten ist. Zu dieser Konstellation kann es in einem Miethaus kommen, wenn der Vermieter in einem Fall vor der Schlichtungsstelle unterlegen ist. Die Kündigungssperre dient dann zum Beispiel dazu, den Mieter vor einer «Rachekündigung» zu schützen. 

Das Thema ist insofern heikel, da sich Interessenkonflikte oft kaum vermeiden lassen. Solange der Eigentümer die gewohnten Mietverhältnisse fortführt, muss sich niemand Sorgen machen. Was, wenn aber grössere Änderungen anstehen? In der Praxis möchte der neue Eigentümer das Objekt vielleicht neu positionieren, er verfolgt eine andere Strategie, plant eine Totalrenovation etc. Aus Sicht der Mieterinnen und Mieter gibt es dann nur die Gewissheit, dass zumindest die vertraglich vereinbarten Fristen und Termine zu beachten sind (eben mit der Ausnahme dringender Eigenbedarf).

Sie werden es aber längerfristig nicht verhindern können, dass der neue Eigentümer: 

  • gewisse Änderungen, Renovationen und Investitionen vornimmt, 
  • den Mietvertrag neu aushandelt, 
  • möglicherweise die Miete erhöht (aufgrund von Investitionen oder aufgrund der üblichen Berechnungen nach Mietrecht), 
  • dass der neue Eigentümer die Verträge kündigen möchte. 

Mieterinnen und Mietern bleibt die Option, bei der am Wohnort zuständigen Schlichtungsstelle eine Erstreckung des Mietverhältnisses zu beantragen.  

Erstreckung bei Kündigung? 

Auch wenn die Kündigung rechtlich an sich korrekt und gültig ist, können sich Mieterinnen und Mieter in Härtefällen auf dieses Instrument berufen. Wenn tatsächlich objektive Gründe vorliegen, kann eine Schlichtungsstelle einem Mieter oder einer Familie zum Beispiel eine Erstreckung von  maximal vier Jahren gewähren (bei Geschäftsräumen sogar sechs Jahre). Das heisst, die vom Eigentümer angestrebte Kündigung wird um diese Frist hinausgeschoben. Triftige Gründe für eine Erstreckung wären zum Beispiel: 

  • Es handelt sich um eine Familie mit schulpflichtigen Kindern. Die Familie ist an dieser Adresse und im Quartier stark verwurzelt.  
  • Es liegt sonst ein Härtefall vor, weil zum Beispiel aus finanziellen Gründen keine passende Ersatzwohnung in der gleichen Gegend zu finden ist. 

Generelle Aussagen zu solchen Themen sind schwierig, da jeder Fall anders liegt. Vermieter weisen darauf hin, dass aktuell über 70’000 Wohnungen leer stehen; also müsste es auch möglich sein, eine andere passende Wohnung zu finden. Den Schlichtungsstellen oder allenfalls Mietgerichten bleibt nichts anderen übrig, als die divergierenden Interessen abzuwägen. 

Mieterstreckungen werden meist nicht auf Jahre hinaus gewährt, öfters aber für einige Monate. Und noch einmal zurück zum Eigenbedarf des Käufers: Dieses Motiv hat bei Verhandlungen meist einen hohen Stellenwert. Das heisst, der Wunsch, das eigene Objekt selbst bewohnen zu können, wird relativ stark gewichtet. 

Gekündigt? Bisheriger Vermieter haftet 

Schliesslich wollen wir noch auf einen letzten Punkt hinweisen: Der Verkäufer der Immobile kann unter Umständen von den Mietern noch belangt werden. Denn falls Mieterinnen und Mieter aus einer folgenden ausserterminlichen Kündigung einen Schaden erleiden, könnten sie diesen beim Verkäufer einfordern. Denkbar sind zum Beispiel Umzugskosten oder vor allem: eine höhere Miete, falls sich nach der Kündigung zwar ein vergleichbares Objekt findet, dieses aber teurer ist. 

Fazit

In vielen Fällen gehen solche Handänderungen problemlos und reibungslos über die Bühne. Wenn sich aber die Mietverhältnisse und die Zielsetzungen des Eigentümers grundlegend ändern, sollten sich alle Beteiligten sorgfältig mit den rechtlichen Rahmenbedingungen befassen. Das gilt für die Seite der Mieter, aber auch für Käufer und Verkäufer. 

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