Viele Mieterinnen und Mieter hatten noch gar nie mit dieser Institution zu tun: den Schlichtungsbehörden bei Streitigkeiten aus Miete und Pacht. Schimmel oder andere Mängel in der Wohnung? Eine nicht berechtigte Mietzinserhöhung? Grundlos gekündigt? In solchen Fällen versucht die Behörde, den Streit gütlich beizulegen.  

99 Prozent der Mietverhältnisse in der Schweiz laufen problemlos. Wenn sich aber doch einmal ein Streit entzündet, geht es am häufigsten ums «liebe Geld». Offene finanzielle Forderungen, Konflikte um Mietszinsanpassungen oder die Anfangsmiete sind die häufigsten Themen, die vor den Schlichtungsbehörden verhandelt werden. Das zeigt die Statistik des Bundesamtes für Wohnungswesen (BWO)

2020: Mehr Streit um Mieten 

Letztes Jahr haben diese Konflikte bei Laden- und Geschäftsmieten noch zugenommen. Nach dem Lockdown im Frühling 2020 hatten die Schlichtungsbehörden in der ganzen Schweiz alle Hände voll zu tun. Viele Geschäfts- und Ladenmieter versuchten Forderungen nach Mietzinssenkungen durchzusetzen. Die Schlichtungsstellen sind grundsätzlich für alle Fragen und Streitfälle rund um die Miete von Wohnungen, aber auch von Geschäftsflächen und Ladenlokalen zuständig.  

Im ersten Halbjahr 2021 ist nun die Zahl der Fälle deutlich zurückgegangen, die Lage hat sich offenbar entspannt. Gemäss der BWO-Statistik kamen im ersten Halbjahr dieses Jahres rund 12’000 Fälle an diese Instanz.  

Was ist die Aufgabe der Schlichtungsstelle? 

Doch was ist im Kern die Aufgabe der Schlichtungsbehörde, und für welche Fälle ist sie zuständig? In einem Beobachter-Ratgeber zum Mietrecht heisst es dazu: «Ihre wichtigste Aufgabe lässt sich aus ihrem Namen ablesen: Sie soll sich dafür einsetzen, dass Konflikte zwischen Vermieter und Mieter einvernehmlich beigelegt werden und dadurch ein Gerichtsurteil gar nicht erst nötig wird.» Das bestätigt auch Cipriano Alvarez, Rechtsanwalt und Leiter Recht beim Bundesamt für Wohnungswesen (BWO): «Die Verfahren sollen möglichst einfach und niederschwellig sein.»  

Interessant ist dabei, dass es sich offenbar um eine schon längst etablierte und anerkannte Institution handelt. Laut BWO gab es schon in den 1970er-Jahren eine solche Instanz, als der Bund 1972 Massnahmen gegen «missbräuchliche Mietzinsen» einführte. In der Folge wurden die Schlichtungsbehörden auch ins Mietrecht von 1990 überführt, das im Wesentlichen bis heute gilt. «Das Mietrecht ist immer wieder infrage gestellt worden, aber bei den Schlichtungsbehörden handelt es sich um eine anerkannte Institution», erläutert Cipriano Alvarez. Die Schlichtungsstelle steht natürlich auch Vermietern offen. Gerade für private Vermieter ist es immer einen Versucht wert, einen Konflikt mit einem Mieter gütlich beizulegen. Denn sowohl Gerichts- als auch Mediationsverfahren sind immer mit mehr Aufwand und höheren Kosten verbunden. Grössere Verwaltungen kritisieren allerdings die Tendenz, Bagatellfälle an die Schlichtungsstelle zu bringen – eben weil es die Mieterseite nichts kostet und öfters sogar ein Anwalt über eine Rechtsschutzversicherung bezahlt wird. 

Wie sind Schlichtungsstellen organisiert? 

Nach dem Gesetz setzt sich die Behörde aus mindestens drei Personen zusammen: je einem Vertreter bzw. Vertreterin der Vermieter- und Mieterseite sowie einem unabhängigen Vorsitzendem. Im Einzelnen sind die Schlichtungsbehörden kantonal organisiert. Die Kantone sind dafür zuständig und regeln auch die Finanzierung. Die Verfahren und Verhandlungen sind grundsätzlich für beide Seiten kostenlos. Es ist auch nicht notwendig, dass die Mieterin oder der Vermieter durch einen Anwalt bzw. Juristen vertreten und beraten wird. Voraussetzung ist aber: Wer als Mieter einen Fall an die Schlichtungsbehörde bringt, muss bei der Verhandlung persönlich zugegen sein. Das gilt an sich auch für die Vermieterseite. Wenn allerdings die Verwaltung an eine Drittfirma ausgelagert ist, kann sich der Hauseigentümer auch durch diese vertreten lassen. 

Wofür ist die Schlichtungsbehörde zuständig? 

Typische Fälle sind wie erwähnt Konflikte um die Höhe des Mietzinses sowie natürlich ganz generell finanzielle Forderungen von der einen oder der anderen Seite. Wenn zum Beispiel ein Mieter wegen Mängeln an der Wohnung die Miete nicht zahlt (den Mietzins hinterlegt), wäre dies ein typischer Fall für die Schlichtungsstelle – soweit sich die Konfliktparteien nicht einigen können. Ein häufiges Streitthema sind auch Wohnungskündigungen, gegen die sich Mieterinnen und Mieter zur Wehr setzen.  

Grundsätzlich sind aber die Themen oder Anliege nicht eingeschränkt. Es gibt auch keinen Mindeststreitwert, der gegeben sein muss. Wenn sich also zum Beispiel die Vertragsparteien bei einem Auszug des Mieters nicht über die Schlussrechnung einigen können, werden sie sich an diese Institution wenden können – unabhängig davon, ob einige Hundert oder einige Tausend Franken strittig sind.  

Wie kommt ein Fall an die Schlichtungsstelle? 

In der Praxis sind es in rund 90 Prozent der Fälle Mieterinnen und Mieter, die an die Behörde kommen. Die Einleitung eines solchen Verfahrens ist denkbar einfach und sehr formlos: 

  • Adresse herausfinden: Wer einen Streitfall bei der Schlichtungsbehörde verhandeln will, muss sich an die zuständige Stelle im Kanton wenden. Bei einer Mietzinserhöhung auf dem amtlichen Formular ist bereits ersichtlich, bei welcher Instanz der Mietzinsaufschlag angefochten werden kann. Die Adressen sind auf verschiedenen Websiten abrufbar und öffentlich publiziert (siehe Links unten). 
  • Schriftlich einreichen: Zweitens genügt es, wenn die betreffende Person ihr Anliegen schriftlich einreicht. Je nach Thema und Konflikt ist es natürlich wichtig, gewisse Unterlagen mitzuschicken bzw. zu kopieren. Dreht sich der Streit zum Beispiel um eine Kündigung oder eine Mietzinserhöhung, ist es zu empfehlen, die entsprechenden Briefe, Dokumente und eine Kopie des Mietvertrags mitzuschicken.  

Fristen beachten 

«Wichtig ist noch zu wissen, dass je nach Fall eine Frist von 30 Tagen zu beachten ist», betont Cipriano Alvarez vom BWO. Beispiel Mietzinsaufschlag oder Kündigung: In diesem Kontext ist der Mieter bzw. die Mieterin verpflichtet, innerhalb von 30 Tagen aktiv zu werden und sich an die Schlichtungsstelle zu wenden. Für alle anderen Fälle wie etwa Reklamationen wegen Mängeln, Lärmbelästigung, Mietzinsermässigung, Konflikte im Haus etc. gilt diese Frist nicht.  

Nach der Statistik des BWO gelingt es in mehr als 50 Prozent der Fälle, erfolgreich zu vermitteln und eine Einigung zu erzielen. Wenn der Vermittlungsversuch scheitert, haben beide Seiten die Möglichkeit, den Fall an die nächste Instanz weiterzuziehen. Auch wenn bei der Verhandlung bei der Schlichtungsbehörde eine Partei unterliegt, kann sie den Fall an die nächste Instanz weiterziehen. Je nach Kanton ist dann das Miet-, Bezirks- oder Amtsgericht zuständig.  

Bei Streit in Mietsachen: «erste Instanz» 

Wichtig ist auch zu wissen: Grundsätzlich müssen alle Fälle im Mietrecht in erster Instanz bei den Schlichtungsbehörden verhandelt werden. Es wäre also nicht möglich, in einem Streitfall direkt an einem Mietgericht zu klagen. Dabei ist zu beachten, dass der Gang durch die Instanzen natürlich aufwändiger und meist auch teurer wird – etwa durch Gerichts- und Anwaltskosten. Laut Cipriano Alvarez sind die Verfahren vor Gereicht im Gegensatz zur Schlichtungsbehörde meist nicht kostenlos. Nur einige Kantone in der Romandie kennen das System mit kostenlosen Gerichtsverfahren bei mietrechtlichen Fragen, zum Beispiel Genf und Waadt.  

Wie erwähnt kann man auch ohne Anwalt zur Schlichtungsbehörde gelangen. Wer aus ganz bestimmten Gründen dennoch einen Rechtsvertreter benötigt (etwa wegen sprachlicher Verständigungsprobleme oder weil der Sachverhalt sehr komplex ist), sollte sich vorgängig an die zuständige Behörde im Kanton wenden. Je nach kantonalem Recht – vor allem in einigen Kantonen der Romandie – gibt es unter Umständen einen Anspruch auf einen unentgeltlichen Rechtsbeistand.  

Schlichtungsstellen Schweiz: Adressen und Kontakte 

Link Mieterverband: Suche nach Schlichtungsstellen: https://www.mieterverband.ch/mv/mietrecht-beratung/ratgeber-mietrecht/unterlagen-tools/schlichtungsbehoerden.html

Link Bundesamt für Wohnungswesen: https://www.bwo.admin.ch/dam/bwo/de/dokumente/04_Mietrecht/44_Schlichtungsverfahren/adressen-schlichtungsbehoerden.pdf.download.pdf/Schlichtungsbeh%C3%B6rden.pdf

Informationen vom HEV Schweiz: https://www.hev-schweiz.ch/vermieten/mietrecht/schlichtungsstellen/

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