In vielen Städten ist es schwierig, bezahlbaren Wohnraum zu finden. Die ortsübliche Vergleichsmiete spielt hierbei eine entscheidende Rolle. Aber was genau ist das und wie kann man sich darüber informieren? Die ortsübliche Vergleichsmiete gibt an, welche durchschnittliche Miete für Wohnraum einer bestimmten Grösse und Ausstattung üblich ist. Die Rechtslage ist aber komplex.

Mieterinnen studieren Mieterhöhung
Die Angst vor einer Mieterhöhung ist gross. Gerade in Zeiten der allgemeinen Teuerung. (Bild: canva.com)

Wohnungen sind in den meisten Agglomerationen und Städten teuer. Das hat zwei Seiten: Für Mieterinnen und Mieter wird es zusehends schwierig, eine passende Wohnung zu einem tragbaren Preis zu finden. Aus Sicht der Vermieter bzw. Hauseigentümerinnen liegen die Interessen meist anders: Vielleicht hat eine private Erbengemeinschaft in einer Altbauwohnung seit 20 Jahren die Miete nicht erhöht. Dabei ist ihnen aus der Perspektive eines Vermieters klar, dass die Zeit für eine Mieterhöhung gekommen wäre. Denn die meisten Vermieter im gleichen Quartier würden für die gleiche Wohnung wesentlich mehr verlangen. Damit sind wir bei der zentralen Frage: Wann und wie genau ist eine Mieterhöhung gerechtfertigt, wenn man eine ortsübliche Vergleichsmiete heranzieht?

Ortsübliche Vergleichsmiete: Fall aus Zürich

Solche und ähnliche Fälle gibt es viele: Mieterin Eva M. (Name geändert) zog vor einigen Jahren im Kreis 4 in Zürich in eine 2-Zimmer-Wohnung. Der Preis lag bei 1060 Franken Monatsmiete. Auf dem offiziellen Formular zur Mitteilung des Anfangsmietzinses stand zu lesen, dass die bisherige Miete wesentlich tiefer lag. Die Vermieterin – eine Versicherungsgesellschaft – hatte früher nur 738 Franken verlangt. Wir müssen aber auch die Umstände berücksichtigen: Es war eigentlich lange Zeit keine ortsübliche Vergleichsmiete. Die Immobilie, um die es hier geht, ist im Jahr 1933 erbaut worden. Klar, dass nach dem Prinzip einer reinen Kostenmiete solche Altbauten eben relativ billig sind – auch wenn nebenan im Quartier eine oft wesentlich höhere ortsübliche Miete verlangt wird. 

Fassen wir diesen Punkt zusammen: Es war zwar kein sozialer Wohnungsbau, aber die über Jahre gezahlte Miete war sehr günstig. Die Versicherung nahm den Wechsel daher zum Anlass, die Miethöhe nach oben zu schrauben – um 44 Prozent schlug die neue Miete auf. Die Vermieterin begründete dies mit der Anpassung «an die orts- und quartierübliche Vergleichsmiete» (OR Art. 269a, erster Abs. a «Mietzinse sind nicht missbräuchlich ….. wenn sie im Rahmen der orts- oder quartierüblichen Mietzinse liegen»). Das Zürcher Mietgericht folgte dieser Argumentation mit der Vergleichsmiete allerdings nicht. So ging der Streit um die hohe Miete weiter und die beiden Parteien – Mieterin und Vemieterin – gelangten ans Bundesgericht.

Wer bekommt Recht – Mieter oder Vermieter?

Wie sahen nun die höchsten Bundesrichter den Fall mit der ortsüblichen Miete? Und welche formellen Anforderungen können bei solchen Mieterhöhungen verlangt werden? Grundsätzlich lässt sich die Miete anhand von offiziellen Statistiken oder anhand von konkreten Vergleichsobjekten überprüfen. Das Bundesgericht beurteilte den Fall aber etwas anders und gab der Vermieterin mit ihrer Argumentation teilweise Recht. Denn nach Meinung des obersten Gerichts waren die besonderen Umstände für die orts- und quartierübliche Miete zu berücksichtigen. Im konkreten Fall würdigte das Gericht den Umstand, dass das Mietverhältnis zuvor 20 Jahre gedauert hatte. Während dieser Zeit ist die Miete wie gesagt nie erhöht worden. Somit kam man zum Schluss, dass nicht von einer missbräuchlichen Miete gesprochen werden kann. Der Fall ging zurück ans lokale Gericht, das nun den Streit um übliche Entgelte oder eben um ortsübliche Vergleichsmieten entscheiden muss.

Altbauwohnung
Das Thema der Mietzinserhöhung ist komplex und für Mieter sowie Vermieter oftmals sehr aufwendig. (Bild: canva.com)

Mietspiegel: Offizielle Statistiken sind spärlich

In der Diskussion um Mieten und die ortsübliche Vergleichsmiete ist allerdings zu berücksichtigen, dass es in der Schweiz – entgegen einer weit verbreiteten Meinung – keine offiziellen, von Gerichten anerkannten Mietspiegel gibt. Ein Mietspiegel ist eine Übersicht über die üblichen Mietpreise in einer Gemeinde, in einem Quartier oder in einer Stadt. Der Mietspiegel dient zur Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete und ist in der Praxis öfters ein Argument für Mieterhöhungen. Während solche Daten in Deutschland weit verbreitet und anerkannt sind, präsentiert sich die Rechtslage in der Schweiz anders. Nach Auskunft des Bundesamtes für Wohnungswesen (BWO) existieren in der Schweiz keine solchen amtlichen Statistiken (siehe Anhang unten). Eine Art qualifizierter Mietspiegel ist nur in wenigen Fällen zugelassen worden, etwa im Kanton Basel-Stadt. Hier akzeptieren die Gerichte die Mieten des Mietpreisrasters des Kantons Basel-Stadt als Vergleichsgrösse.  https://www.statistik.bs.ch/analysen-berichte/raum-umwelt/mietpreisraster.html

Das Raster bzw. der Mietspiegel können auch für Mieterinnen und Mieter sehr hilfreich sein. Wie hoch ist der durchschnittliche Quadratmeterpreis einer renovierten 3-Zimmerwohnung mit Baujahr 1920 in einem bestimmten Basler Quartier? Was kosten renovierte oder nicht renovierte Wohnungen in Hirzbrunnen? Dieser einfache Mietspiegel ist auch über eine App zugänglich und liefert entsprechend wichtige Anhaltspunkte – allerdings nur für Basel!  

Gesetzliche Erhöhungsgründe

Für Vermieter kann es sich lohnen, irgendwelche Massnahmen im Zusammenhang mit Mietpreiserhöhungen rechtlich abzuklären und sich beraten zu lassen. Denn bekanntlich lässt das Mietrecht verschiedene, teils komplexe Kriterien für Mieterhöhungen zu. Natürlich ist es üblich, dass zum Beispiel eine wesentliche Verbesserung der Wohnung einen höheren Mietpreis rechtfertigt (Mehrwert). Dabei ist aber immer zwischen normalen Unterhaltsarbeiten und wertvermehrenden Investitionen zu unterscheiden. Ein Vermieter kann sich auch auf den Standpunkt stellen, dass die Netto- oder Bruttorendite nicht angemessen ist. Hinzu kommen natürlich Erhöhungsgründe wie die allgemeine Teuerung oder die Erhöhung des offiziellen Referenzzinses für die Mieten in der Schweiz.

Doch Mieterhöhungen sind ein dornenreiches und komplexes Feld. Oft haben nur erfahrene Treuhänder und Juristinnen und Juristen den Durchblick. So lassen sich in der Regel nicht gewisse Kriterien gleichzeitig ins Feld führen respektive kumulieren. Einem Vermieter ist es zum Beispiel nicht gestattet, einerseits eine Mietzinserhöhung wegen ungenügender Nettorendite zu verlangen und sich gleichzeitig auch auf die ortsübliche Vergleichsmiete zu berufen. Auch die wesentliche Frage, wer die Beweislast für die ortsübliche Vergleichsmiete trägt, lässt sich nicht allgemein beantworten. Dies muss im konkreten Einzelfall angeschaut werden.

Vergleichsobjekte für die Mieterhöhung
Vergleichsobjekte müssen bestimmte Kriterien erfüllen, damit eine Mieterhöhung auch gerechtfertigt ist. (Bild: canva.com)

Wird zum Beispiel der Mieter aktiv und empfindet den Anfangsmietzins als zu hoch, liegt die Beweislast bei ihm. Der Mieter, der den Anfangsmietzins anfechten will, muss den Nachweis erbringen, dass dieser missbräuchlich ist. Wie im oben beschriebenen Fall aus Zürich sind dabei verschiedene formelle Anforderungen, aber auch die ganze Vorgeschichte zu berücksichtigen. Was beträgt die neue Miete im Vergleich zu vorher? Wie viele Jahre verstrichen seit der letzten Mieterhöhung? Man kann dann höchstens sehr allgemein sagen, dass bei sehr starken Mieterhöhungen – von mehr als 10% – ein gewisser Verdacht auf eine missbräuchliche Miete vorliegt.

Anwältinnen und Anwälte, die Vermieter vertreten, beklagen die komplexen Rahmenbedingungen, die teils nur rudimentäre gesetzliche Regelung und auch die hohen Anforderungen bei der Beweisführung. „In der Praxis ist es mir nur selten gelungen, vor Gericht den Nachweis der Orts- und Quartierüblichkeit zu führen“, erklärt ein Berner Anwalt, der seit vielen Jahren in der Branche tätig ist. Denn von Basel-Stadt abgesehen fehlen in der Regel anerkannte Mietspiegel und offizielle Statistiken.

Wenn also ein Vermieter den Nachweis führen will, dass die orts- und quartierüblichen Verhältnisse eine Mieterhöhung rechtfertigen, muss er einen unglaublichen Aufwand betreiben. Die Gerichte erwarten, dass mindestens fünf Vergleichsobjekte gefunden und dokumentiert werden. Diese müssen nach Lage, Grösse, Ausstattung, Zustand und Bauperiode tatsächlich mit der betreffenden Wohnung vergleichbar sein. Hinzu kommen noch weitere Anforderungen:

  • Die Vergleichsobjekte müssen sich in unterschiedlichen Liegenschaften befinden und/oder von verschiedenen Eigentümern stammen.
  • Die Mietzinsen der Vergleichsobjekte dürfen zudem nicht missbräuchlich sein. D. h., sie müssen der entsprechenden Entwicklung des hypothekarischen Referenzzinssatzes und der Teuerung angepasst sein.
  • Was vergleichbarer Wohnraum ist, erinnert schon fast an streng wissenschaftliche Grundsätze: Selbst hinsichtlich den Nebenkosten muss ein Vergleich möglich sein.

Allenfalls unterschiedliche Merkmale von Wohnungen, etwa leicht unterschiedliche Wohnflächen oder eine unterschiedliche Qualität hinsichtlich Ruhe und Aussicht usw., müssen auf schlüssige und nachvollziehbare Weise beurteilt werden können. Interessant dabei: «Inserate in Tageszeitungen oder auf Internetplattformen gelten nicht als taugliche Beweise», erklärt ein Jurist und Mitarbeiter des Bundesamtes für Wohnungswesen (BWO). Dies wird als ungeeignetes Instrument bzw. als nicht taugliche Vergleichsmiete bezeichnet. Die Gerichte begründen diese Haltung damit, dass auf diesen öffentlichen Marktplätzen ja eben bestimmte Wohnungen zu einem bestimmten Preis angeboten werden. Sie erwarten aber als statistische Grundlage die in den Verträgen und Mietverhältnissen tatsächlich dokumentierten und fixierten Mieten. Auch irgendwelche andere oder private Statistiken sind nicht als Beweismittel zugelassen.

Wohnraum und Miete: Was beide Seiten wissen sollten

Schlussfolgerung: Natürlich lässt es die Marktlage öfters zu, dass sich nach Mieterhöhungen immer noch genügend Interessentinnen und Interessenten finden. Doch Vorsicht: Sollte es im einen oder anderen Fall doch zu einem Streit um die Miethöhe kommen, sind hohe formelle Anforderungen und komplizierte Beweisverfahren zu befürchten. Dabei lohnt es sich für beide Seiten, ob Mieter oder Vermieter, sich fachlich beraten zu lassen. Denn rund um Vergleichsmieten gibt es viele populäre Irrtümer und Missverständnisse. Die oben aufgeführten Tatsachen und Beispiele zeigen deutlich, dass es keinen einfachen Mietspiegel gibt, den man aus der Schublade ziehen kann. Welche Seite bei der Schlichtungsstelle oder vor Mietgericht in der besseren Ausgangsposition ist, sollte man vorab klären. Weil die Vergleichbarkeit und die Beweisführung schwierig sind, hängen die Erfolgsaussichten davon ab, bei wem nun die Beweislast vor Gericht liegt.

Was sind gesetzlich bzw. vor Gericht vergleichbare Wohnungen?

Nach Art. 11 Abs. 1 VMWG richtet sich ein ortsüblicher respektive quartierüblicher Mietzins nach Mietzinsen für andere Wohn- oder Geschäftsräume, die nach Lage, Grösse, Ausstattung, Zustand und Bauperiode mit dem entsprechenden Mietobjekt vergleichbar sind. Die Gerichtspraxis verlangt dabei mindestens fünf solche Vergleichsobjekte. https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1990/835_835_835/de#a11

Bei der Vergleichsmiete muss es sich tatsächlich um Objekte handeln, die eben sehr ähnlich sind und im gleichen Quartier bzw. an gleicher Lage vermietet werden. Die Lage definiert sich unter andrem durch Einkaufsmöglichkeiten, den Anschluss an den öffentlichen Verkehr (öV), Distanzen zu Schulen, Naherholungsgebieten und Einkaufsmöglichkeiten. Mit Bezug auf die Grösse der Vergleichsobjekte wird eine Abweichung von bis zu 20% toleriert. Vorsicht: Selbst geringfügige Unterschiede bei der Ausstattung und den Eigenschaften führen dazu, dass viele Objekte für einen Vergleich nicht zulässig sind. 

Zum Schluss noch die offizielle Haltung, was Statistiken und Mietspiegel in der Schweiz betrifft. Das Bundesamt für Wohnungswesen (BWO) schreibt dazu: «Amtliche Statistiken, die einen genügenden Detaillierungsgrad aufweisen und mit denen orts- und quartierübliche Mietzinse ermittelt werden könnten, existieren nach Auffassung unseres Amtes nicht (vgl. Art. 11 Abs. 4 VMWG).» – Einzige Ausnahme davon ist das erwähnte Mietpreisraster des Kantons Basel-Stadt.

Weitere Informationen zur Vergleichsmiete:

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