Zu viel Lärm beeinträchtigt die Wohn- und Lebensqualität. Doch wann schuldet der Vermieter eine Mietzinsreduktion? Wir dokumentieren reale Fälle aus der Praxis und zeigen das rechtlich korrekte Vorgehen auf – inklusive Musterbrief. 

Eine Frau die mit einem Kugelscheiber ein Brief schreibt.
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Nehmen wir als Beispiel Mieterin Carmen W. aus Luzern: Sie wohnt im 1. Stock eines älteren Wohnhauses. Direkt unter ihr ist eine Bar eingemietet. Der Schallschutz ist ungenügend, und Carmen W. fühlt sich durch die Lärmimmissionen gestört. Gut möglich, dass es selbst zu den offiziellen Ruhezeiten am Abend noch mal laut zu und her geht. Ein Gericht sprach der Mieterin eine Reduktion des Mietzinses von 15 Prozent zu. 

Grundsatz im Mietrecht: Was ist ein Mangel? 

Rein juristisch ist Lärm als Mangel an der Wohnung zu betrachten. Nach dem Mietrecht (gemäss Obligationenrecht Art. 259d) können Mieterinnen und Mieter eine angemessene Herabsetzung des Mietzinses fordern, wenn die Wohnung eben Mängel aufweist und der Gebrauch damit eingeschränkt ist. Dazu gehören auch Baulärm, Fluglärm, laute Maschinen und grundsätzlich jede Art von Lärmbelästigung, die das übliche Mass übersteigt. Besonders störend ist Lärm dann, wenn es wirklich sehr laut ist, wenn die Beeinträchtigung länger andauert und den Leuten sogar nachts den Schlaf raubt.  

Wichtig ist allerdings zu wissen: Nicht alles, was empfindliche Menschen im Alltag stört, kann schon als Mangel reklamiert werden. Typisches Beispiel sind etwa spielende Kinder von Familien, die im gleichen Haus wohnen. Oder wer Anstoss darin nimmt, dass ein Nachbar im Haus seine Wohnung auf Aibnb ausschreibt, wird wohl deswegen nicht gleich eine Senkung des Mietzinses einfordern können. Die Tatsache, dass häufiger Gäste kommen und gehen, wird objektiv betrachtet die Nutzbarkeit der Wohnung nicht einschränken. 

Ein erstes Fazit rund um Lärm und die Anpassung des Mietzinses: Es bleibt im Einzelfall immer eine Ermessenssache. Die Praxis an Schlichtungsstellen und Mietgerichten zeigt weiter: Besonders empfindliche Mieterinnen und Mieter können nicht auf mehr Rechte pochen als andere. Eine junge Studentin, die über Monate zu Hause an ihrer Dissertation arbeitet, kann nicht mehr Ruhe als sonst üblich verlangen. Ähnliches gilt für den konkreten Einzelfall eines Mieters in Zürich, der die Gewohnheit hatte, tagsüber zu schlafen. Er konnte von seinen Nachbarn im Haus nicht erwarten, dass eine Stille wie im Kloster herrscht. Es gelten die üblichen Ruhezeiten und das allgemeine Empfinden eines Durchschnittsmenschen. 

Herabsetzung: Eingeschriebenen Brief aufsetzen 

Aber wie soll man vorgehen, wenn nun der Lärm das erträgliche Mass tatsächlich überschreitet? Da es sich juristisch gesehen wie erwähnt um einen Mangel handelt, empfehlen die meisten Juristinnen und Juristen schriftlich und mit eingeschriebener Post auf den Mangel hinzuweisen. Dies kann zum Beispiel so aussehen, dass die lauten Bauarbeiten oder  andere störende Lärmemissionen gemeldet werden. Bei Mängeln ist es auch üblich, zunächst eine Behebung des Problems innert angemessener Frist zu verlangen. Bloss ist das bei Lärm oft nicht möglich. Bauarbeiten direkt im Haus oder in einem Nachbargebäude sind wohl von den Behörden bewilligt worden und liegen oft auch in einem öffentlichen Interesse. Es wird sich nicht verhindern lassen, dass die Bauarbeiten zu Ende geführt werden. 

Lärmtagebuch führen 

Hier empfiehlt es sich, in einem ersten Schreiben auf die Probleme aufmerksam zu machen. Zugleich können Sie als Mieterin oder Mieter ankündigen, dass Sie nach Beendigung der Arbeiten eine Mietzinsreduktion beantragen werden (siehe Musterbrief). Die Beweispflicht liegt grundsätzlich bei den Mieterinnen und Mietern. Daher heisst es, die Lärmemissionen genauer zu dokumentieren. Geeignete Beweismittel sind zum Beispiel Fotos von den lärmenden Baumaschinen oder auch ein offizielles Bauprogramm mit einem Zeitplan – soweit dieser vorliegt. Als Beweismittel ist auch eine Art Lärmtagebuch sinnvoll. Sie machen sich laufend Notizen, an welchen Tagen und zu welchen Tageszeiten die Störungen anhalten. Natürlich muss dieses Tagebuch und die Dokumentation nicht lückenlos jede halbe Stunde erfassen. Aber es kann doch in einem Streitfall helfen, wenn Sie die Beanstandung an der Mietsache genauer belegen können. 

Weniger Miete? Wie der Anspruch geregelt ist 

Eine allgemeine Faustregel, um wie viel die Miete reduziert werden muss, gibt es natürlich nicht. Die Skala reicht gewissermassen von Null bis hundert Prozent. Gar keine Miete wäre geschuldet, wenn eine Wohnung komplett unbewohnbar ist. Dies ist natürlich denkbar, wenn die ganze Wohnung von A bis Z totalsaniert wird und die meisten Zimmer sowie auch Küche und Toilette während der Umbauzeit gar nicht benutzbar sind. Hier wird der Mieter ja während der intensivsten Phase wohl ausziehen müssen. Während dieser Zeit ist auch kein Mietzins geschuldet. Sobald die Wohnung zumindest halbwegs wieder nutzbar ist, kann immer noch eine Ermässigung verlangt werden, jedenfalls in dem Umfang, als eben die Emissionen störend sind und den Gebrauch der Wohnung einschränken. 

Musterbrief verwenden 

Da es eben keine einfache Regel gibt, wie die Mietzinsherabsetzung festzulegen ist, empfiehlt sich folgendes: Sie bringen die Reklamation mit eingeschriebener Post vor, umschreiben die Lärmemissionen und warten zunächst einen Vorschlag der Verwaltung ab. Wenn der Vermieter kulant ist, wird man sich wohl auf einen Kompromiss einigen können. Falls die Anfrage nicht beantwortet wird, oder die gewährte Mietzinsreduktion nicht angemessen erscheint, können Sie sich als Mieterin oder Mieter immer noch Gedanken machen, welche weiteren Schritte sinnvoll sind. 

Die Baustelle nebenan 

Schliesslich ist darauf hinzuweisen, dass die Miete auch dann reduziert werden muss, wenn von anderen Grundstücken störende Lärmemissionen ausgehen. Wenn also direkt vor der Haustür nebenan über Monate die Baumaschinen und Presslufthammer lärmen, ist der Vermieter ebenfalls zu einer Mietzinsreduktion verpflichtet. Nach dem Nachbarrecht kann der Vermieter seinerseits finanzielle Forderungen gegenüber dem Verursacher des Lärms in der Nachbarschaft stellen. 

Bei Umbauarbeiten empfiehlt es sich, das Ende des Projekts abzuwarten. Meist ist ja erst dann klar, über welchen Zeitraum und in welchem Umfang Lärmemissionen und eine Beeinträchtigung zu beklagen waren. Forderungen wegen Mängeln verjähren übrigens erst nach fünf Jahren. Eile ist daher nicht geboten. Grundsätzlich gilt auch: Die Rechte bei Mängeln können im Mietvertrag nicht ausgeschlossen werden; ein solcher einseitiger Vertrag wäre juristisch nicht haltbar.  

Keine eigenmächtige Mietzinsherabsetzung 

Nicht zu empfehlen ist es, ohne jede Rücksprache mit dem Vermieter eigenmächtig die geschuldeten Miete zu kürzen. Dies kann unangenehme Folgen haben, weil Sie dann der Vermieter seinerseits in die Pflicht nimmt und die Kündigung androht. Es empfiehlt sich daher, Schritt für Schritt korrekt vorzugehen und zunächst den Vorschlag der Verwaltung abzuwarten. Falls es auf diesem Weg keine gütliche Einigung gibt, wäre die lokale Schlichtungsbehörde die nächste Anlaufstelle. 

Lärmemissionen: Gerichtsfälle aus der Praxis 

Der Vermieter liess ein zusätzliches Wohnhaus erstellen, verbunden mit viel Lärm, Schmutz, Staub, erschwertem Zugang zum Haus, Verlust der der Privatsphäre durch ein Baugerüst etc. – Der Mieter erhielt eine Mietzinsreduktion von 15 Prozent für die Dauer des Umbaus.

In anderen Fällen mit tiefgreifenden Arbeiten sprachen Gerichte Mietzinsreduktionen von 15 bis sogar 50 Prozent aus. Besonders gravierend waren Fälle, wenn Pressluftbohrer, Kreissägen, Lastenaufzüge etc. zum Einsatz kamen. Ein Kriterium ist auch, ob Lärm, Schmutz und Einschränkungen über eine längere Zeit andauern. 

Ein Gericht sprach einem Mieter eine Mietzinsreduktion von 16 Prozent zu. Anlass der Beanstandung war eine Grossbaustelle, rund 40 Meter von der Wohnung entfernt. Besonders störend waren der massive Lärm über Monate, Vibrationen aufgrund von Pfählungen etc. 

Die Gerichtspraxis zeigt, dass auch andere Lärmemissionen beanstandet werden können. So gab es Mietzinsreduktionen von etwa 10 bis 15 Prozent bei Bars und Nachtclubs im Haus oder direkt nebenan oder im Fall eines Orchesters, das mehrmals pro Woche laut spielte (und dies während den offiziellen Ruhezeiten nach 22 Uhr!) Zahlreich sind auch die Gerichtsurteile im Zusammenhang mit Fluglärm. Quelle: mietrecht.ch

 

 

Anmerkung: In Streitfällen stellen Gerichte oft auch auf die offizielle Norm des Schweizerischen Ingenieur- und Architektenvereins ab (Norm SIA 181 zum Schallschutz). Akustische Messungen sind aufwändig, geben aber Klarheit, ob die minimalen Standards eingehalten sind, etwa bei störenden Liftanlagen, die in Schlafzimmern hörbar sein könnten. 

Lesen Sie dazu auch unseren Blog: Wohnen: «Wie viel Lärm muss ich vom Nachbarn ertragen?»  und verschaffen Sie sich einen Überblick über Ihre rechtliche Situation als Mieter oder Vermieter hier: Rechtliches für Mieter und Vermieter im Überblick.