Schweizerinnen und Schweizer geben fürs Wohnen viel Geld aus. Wenn sich die Löhne positiv entwickeln, steigt auch die Zahlungsbereitschaft für eine schöne Wohnung oder ein hübsches Haus. Doch welcher Mietzins ist einerseits fair und für den Vermieter doch kostendeckend?
- Erst rechnen, dann mieten
- Entgelt für die Immobilie: Interessenkonflikte
- Mietrecht: Schutz vor missbräuchlichen Mietzinsen
Viele Leute aus den europäischen Nachbarländern beneiden die Schweiz. Immerhin liegen hier die Löhne fast doppelt so hoch wie in anderen Volkswirtschaften. Den hohen Löhnen stehen aber hohe Lebenshaltungskosten gegenüber. Vor allem in den Städten ist das Leben teuer. Die Mieten und erst recht die Kaufpreise für Eigenheime sind für einen Teil der Haushalte gar unerschwinglich geworden.
Erst rechnen, dann mieten
Wer also in der Schweiz einen Mietvertrag unterschreibt, muss die Details genau lesen. Denn neben der Miete netto («Kaltmiete») sind teils noch beträchtliche Nebenkosten zu berappen, etwa für Heizung, Verwaltung, Hauswart, Betriebskosten etc. Die meisten Vermieter verlangen zudem eine Mietzinskaution (gesetzlich zulässig sind drei Monatsmieten).
Die Statistik des Bundesamtes für Wohnungswesen (BWO) zeigt: Für die 20 Prozent der Haushalte mit den tiefsten Einkommen stellen die hohen Mietzinsen ein ernstes Problem dar. Oft geben diese Haushalte mit schmalem Budget rund 35 Prozent oder noch mehr ihres bescheidenen Einkommens für die Wohnung aus. Bei einem mittleren oder höheren Einkommen ist die Ausgangslage komfortabler. Die meisten Haushalte müssen nicht mehr als rund 20 bis 23 Prozent ihres Haushalteinkommens fürs Wohnen aufwenden. Grundsätzlich fällt auf: Der Anteil der Wohnkosten im Haushaltbudget der Mieter ist sehr stabil. Das gilt sogar für einen Zeitraum von mehreren Jahrzehnten. Oder anders gesagt: Wenn die Wirtschaft rund läuft und sich die Löhne positiv entwickeln, steigt auch die Zahlungsbereitschaft fürs Wohnen.
Entgelt für die Immobilie: Interessenkonflikte
Es liegt zugleich in der Natur der Sache, dass die Vermieterseite und Mieterinnen und Mieter nicht die gleichen Interessen verfolgen. Die Debatte um faire Mieten im Land wird sogar sehr emotional geführt! Ein Mieter aus Zürich schreibt uns zum Beispiel: «Jedes Mal wenn es in unserem Mietshaus zu einem Wechsel kommt, schlägt der Mietzins rund 20 bis 25 Prozent auf. Die einzige Verbesserung ist aber meist nur der Ersatz des alten Spannteppichs durch einen Laminatboden…»
Auf der anderen Seite tun sich aber auch die Bewirtschaftungsabteilungen und vor allem private Vermieter schwer:
- Welcher Mietzins ist angemessen? Gibt es häufige Wechsel, wenn die Wohnung zu teuer ist?
- Reichen die Einnahmen, um alle Risiken und langfristigen Kosten – Stichwort Sanierungen – abzudecken?
- Wer weiss schon aus dem Stegreif, wie ein nach dem Gesetz korrekter Mietzins hergeleitet wird?
Eine kleine Umfrage unter privaten Hauseigentümern zeigt: Die meisten Vermieter halten sich an die Vergleichsmethode. Sie sammeln Informationen zur Frage, was in etwa ähnliche Wohnungen (Zimmerzahl, Baujahr) im gleichen Quartier kosten.
Fassen wir zusammen, welche Faktoren Mietzinserhöhungen rechtfertigen:
Investitionen:
Klar ist, dass Investitionen wie ein zusätzlicher Balkon oder allgemein wertvermehrende Investitionen am Haus zu einer höheren Miete berechtigen. So kommen ja die Mieter in den Genuss eines Mehrwerts. Vorsicht: Im Mietpreis inbegriffen sind hingegen der normale Unterhalt und Reparaturen an der Wohnung – Reparaturen stellen ja keinen Mehrwert dar.
Referenzzins:
Die Kosten eines Vermieters hängen stark von den Zinsen für Hypotheken ab. Grundlage ist immer der hypothekarische Referenzzinssatz des BWO. Es ist daher legitim und gesetzlich zulässig, steigende Zinsen auf die Mieten abzuwälzen. Seit Jahren bewegt sich der Referenzzinssatz allerdings auf einem sehr tiefen Niveau. Falls der Referenzzins früher oder später wieder steigt, berechtigt dies zu periodischen Mietzinserhöhungen in einer Grössenordnung von rund 3 Prozent. Und umgekehrt: Mieter haben ein Recht auf eine Mietzinssenkung, wenn die früheren Senkungen des Referenzzinssatzes noch nicht weitergegeben wurden.
Keine kostendeckende Rendite:
Wer in eine Immobilie investiert, darf grundsätzlich eine kostendeckende Rendite erzielen. Bei dieser sehr komplexen Rechenaufgabe rund um Brutto- oder Nettorendite kapitulieren aber viele Vermieter – und übrigens auch Mieter, die die Rendite für «missbräuchlich» halten. Es ist zu bedenken, dass eine Vergleichsmiete oder eine betriebswirtschaftlich plausible Miete nicht unbedingt mit dem gesetzlich zulässigen Mietzins übereinstimmen muss.
Bei Neubauten ist die sogenannte Bruttorendite eine entscheidende Kennzahl, d. h. das Verhältnis der gesamten Erstellungs- bzw. bzw. Anlagekosten zu den Mieterträgen. Erklären wir kurz die Bruttorendite: Laut der geltenden Rechtsprechung sind Bruttonrenditen zulässig, die nicht mehr als 2 Prozent über dem aktuellen Referenzzins von 1,25 Prozent liegen (gemäss Art. 269a lit. c OR). Bei älteren Häusern muss ein Streitfall aufgrund der Netto-Rendite entschieden werden. Im Umfeld sehr tiefer Zinsen hat sich die Gerichtspraxis aber eher gelockert, und zwar zugunsten der Vermieter.
Teuerung und allgemeine Kostensteigerungen:
Nach den geltenden Spielregeln sind die Vermieter im Weiteren berechtigt, die Teuerung und allgemeine Kostensteigerungen auf den Mietzins abzuwälzen. Dabei gilt die Regel, dass 40 Prozent der offiziell erfassten Teuerung über den Mietzins weiterverrechnet werden kann. Massgeblich ist jeweils der Indexstand des offiziellen Landesindex der Konsumentenpreise (LIK). Hinzu kommt eine kantonal unterschiedliche Pauschale für allgemeine Kostensteigerungen.
Die orts- und quartierüblichen Preise:
In Deutschland ist es weit verbreitet, dass sich die Mieten nach den offiziellen Mietspiegeln in Städten und Quartieren richten. In der Schweiz gibt es keine solchen «offiziellen» Statistiken. Im Gegenteil sind die Verfahren sehr kompliziert, weil die Gerichte sehr hohe Anforderungen an die Vergleichbarkeit stellen.
Vermieter müssen einige Formalitäten und Fristen beachten: Erhöhungen und alle Vertragsänderungen (auch bei den Nebenkosten) müssen auf dem amtlichen Formular mitgeteilt und begründet werden. Die Mitteilung ist mit eingeschriebenem Brief zuzustellen (d. h. Änderung Mietvertrag). Eine Anpassung ist immer erst auf den nächsten Kündigungstermin möglich (nach Art. 269d OR).
Mietrecht: Schutz vor missbräuchlichen Mietzinsen
Erst recht kompliziert wird es, wenn wir uns noch folgende Frage stellen: Wer muss eigentlich den Nachweis erbringen, dass die Miete eben fair und angemessen ist? Oder umgekehrt: Wer muss mit welchen Argumenten nachweisen, dass der Mietvertrag missbräuchliche Mietzinsen beinhaltet? In der Praxis hat es sich durchgesetzt, dass die Mieterinnen und Mieter in der Pflicht sind. Das gilt zumindest für den Fall, dass sie den Anfangsmietzins anfechten wollen. Letztes Jahr sorgte zum Beispiel ein Gerichtsentscheid für Aufsehen, als es um eine Altbauwohnung in Zürich ging. Die Mieterin zweifelte die Höhe der Miete an, wandte sich an die Schlichtungsstelle und ging vor Gericht. De facto musste sie aber den Nachweis erbringen, dass die orts- und quartierüblichen Mietzinsen eigentlich tiefer liegen.
Wiederum anders liegt der Fall, wenn der Vermieter Begehren um eine Mietzinssenkung abwehren will. Hier ist in der Regel der Vermieter in der Pflicht, entsprechende Unterlagen zu seiner Kostensituationen und detaillierte Berechnungen vorzulegen. Auch hier gilt: Wenn zum Beispiel Erbengemeinschaften schon länger im Besitz eines Mehrfamilienhauses sind, ist der ganze Aufwand fürs Sammeln von Belegen, von Investitionskosten und Ausgaben enorm aufwändig. Gerade private Vermieter, die nicht noch einen ganzen Stab von Treuhändern und Mietrechtsspezialisten für ihre Immobilie haben, werden solchen Verfahren aus dem Weg gehen.
Gemessen an der Gesamtzahl der Mietverhältnisse in der Schweiz liegt die Zahl der Konflikte und Gerichtsfälle aber tief. Vielleicht scheuen Mieterinnen und Mieter den Aufwand, und sie wollen auch Ärger mit der Verwaltung vermeiden.
Links:
Überwälzungssätze hypothekarischer Referenzzinssatz: https://www.hev-schweiz.ch/vermieten/mietverhaeltnis/referenzzinssatz/ueberwaelzungssaetze/
Mietzinsrechner: https://www.gerichte-zh.ch/themen/miete/mietzinsgestaltung/mietzinsrechner.html
Lesen Sie dazu auch unseren Blog:
Da eine neue 4.5 Zimmer Wohnung in Zürich inzwischen um die 2’000’000 CHF kostet,
kann man daraus ableiten, dass der Vermieter bis zu 5’400 CHF / Monat verlangen darf (plus NK)
Dies erscheint auf den ersten Blick als enorm viel, aber bei einer 80% Belehnung funktioniert das Ganze nur solange die Zinsen nicht über 2.5% steigen.
Ab dann werden wohl viele Buy-to-Let Investitionen, die bei einem Zins von 0.7% sehr lukrativ waren, zum Verlustgeschäft.
Monatlicher Hypo-Zins auf 1’600’000 CHF (80% von 2’000’000 CHF):
0.7% : 933 CHF
3% : 4000 CHF
4% : 5300 CHF
Macht bei 800 bis 1200 CHF Rückstellungen und nicht verrechenbaren NK einen Gewinn von:
0.7%: 3200 bis 3600 CHF
3%: 200 bis 600 CHF
4%: -700 bis -1100 CHF
Guten Tag Herr W.
Vielen Dank für Ihren sehr interessanten Input! Das ist wirklich ein wichtiger Punkt: Die Zinsen für Hypotheken sind schon deutlich gestiegen, während aber der Referenzzins für die Mietzinsgestaltung immer noch tief bleibt. Das Risiko bei steigenden Zinsen ist also gegeben.
Ergänzend noch die Überlegung: Das Thema ist höchst komplex. Denn es gibt wie Sie schreiben die ökonomische Betrachtung der Miete. Es gibt aber auch noch die mietrechtlichen Definition von Ertrag, von Netto- und Bruttorendite. Liegt die netto Rendite mehr als zwei Prozent über dem Referenzzins wäre die Miete missbräuchlich, weil damit nach OR Art. 269 «ein übersetzter Ertrag aus der Mietsache erzielt wird». Die korrekte Herleitung dürfte aber für Private schwierig sein.
Freundliche Grüsse
Jürg Zulliger
newhome.ch