Immer mehr Kantone, Städte und Gemeinden halten dazu an, auf Alternativen zu den fossilen Brennstoffen zu setzen. «Mit Fernwärme heizen Sie umweltfreundlich und CO2-neutral», so ein Slogan. Wir zeigen die Vor- und Nachteile auf. 

Aufgrund der aktuellen Energieknappheit und Teuerung spricht einiges für die Umrüstung auf Fernwärme. (Bild: canva.com)

Was ist Fernwärme? Das Konzept, das hinter diesem heute geläufigen Begriff steckt, ist an sich einfach: Anstatt in jedem Gebäude einzeln zu heizen, erfolgt die Energieversorgung für ein ganzes Quartier über eine grosse Heizzentrale. Bei dieser zentralen Heizung respektive Wärmeproduktion wird Wasser aufgeheizt. Das auf rund 80 bis 120° erhitzte Wasser wird dann über ein gut isoliertes System von Rohrleitungen zu den Kundinnen und Kunden transportiert.

Dort wird dem heissen Wasser über eine Übergabestation im Keller die Wärme entzogen und über das Verteilsystem für Wärme im Gebäude weitergegeben (Heizung und Warmwasser). Wichtige technische Komponenten im Keller der Liegenschaft sind dabei Wärmetauscher sowie ein Wärmezähler, um die bezogene Wärme abrechnen zu können. Das abgekühlte Wasser fliesst wieder zur Zentrale zurück und wird erneut aufgeheizt.

Heizen mit lokal verfügbarer Energie

Typisch ist für das Konzept der Fernwärme, dass lokal vorhandene Energie genutzt wird. Häufig handelt es sich um Abwärme, zum Beispiel aus der lokalen Kehrichtverbrennung oder von industriellen Prozessen. «Es gibt heute kaum noch Kehrichtverbrennungsanlagen, deren Abwärme nicht anderweitig genutzt wird», erklärt Andreas Baumgartner, Energieberater bei Amstein + Walthert. Zunehmend an Bedeutung gewinnt auch die Abwärme aus grossen Rechenzentren. Durch die Nutzung von bereits vorhandener Abwärme wird das Heizen mit Fernwärme ökologisch. Zu einem wesentlichen Teil handelt es sich dabei um erneuerbare Energie – wohlgemerkt als Alternative zu den aktuell knappen und sehr teuren fossilen Energieträgern. Eine Sprecherin des Energieunternehmens ewz sagt dazu: «Wir betreiben ausschliesslich Energieverbunde mit lokalen und klimafreundlichen Energiequellen wie zum Beispiel Seewasser, Abwasser und Erdwärme.» Alle diese Energieträger seien erneuerbar und lokal verfügbar. Damit entfällt die Abhängigkeit von importierten Energieträgern wie Öl und Gas. Dadurch sind die Preise tendenziell stabiler, und die Versorgungssicherheit erweist sich als besser. Die Branche der Fernwärme wirbt damit, dass die Kundinnen und Kunden gegen «böse Überraschungen beim Öl- und Gaspreis gewappnet sind.» Für die Fernwärmeversorgung spricht weiter, dass sich verschiedene lokal verfügbare Energiequellen gut kombinieren lassen. Auch dies trägt zusätzlich zur Versorgungssicherheit bei.

Ökologisch und wirtschaftlich Heizen

Doch ist die Abdeckung des Wärmebedarfs auch wirtschaftlich? «Vor allem im städtischen Umfeld ist Fernwärme gegenüber einer eigenen Heizzentrale im Haus absolut konkurrenzfähig», betont der Energieberater Andreas Baumgartner. Vor allem im Neubau sind Gas- und Ölheizungen in den meisten Kantonen heute gar kein Thema mehr. Und im direkten Vergleich mit einer eigenen Heizung auf Basis einer Wärmepumpe mit Erdsonde oder einer eigenen Holzschnitzelheizung kann ein solcher Wärmeverbund gut mithalten.

Kommen wir zu einer ersten Schlussfolgerung: In der Auswahl von erneuerbaren Energieträgern ist ein Fernwärmenetz grundsätzlich eine gute Wahl. Von Vorteil ist weiter die Tatsache, dass der Hauseigentümer keine eigene Heizzentrale erstellen, unterhalten und finanzieren muss. Der Energielieferant ist dafür verantwortlich, dass die Versorgung übers ganze Jahr garantiert ist und zuverlässig funktioniert.

Fernwärmenetz: Die Kosten richtig budgetieren

Trotzdem kann die Kostenseite nicht ganz ausser Acht gelassen werden. Experte Andreas Baumgartner sagt dazu: «Eine Erstinvestition für die Übergabestation im Haus und teils auch eine Mitfinanzierung der Zuleitung muss in jedem Fall budgetiert werden.» Bei den meisten Anbietern eines Fernwärmenetzes  ist es so, dass neben einer einmaligen Investition natürlich die laufenden Kosten gedeckt werden müssen. Diese setzen sich meist aus einer Grundgebühr und den verbrauchsabhängigen Kosten für die bezogene Wärme zusammen. Ganz günstig sind die Angebote der Fernwärmeunternehmen nicht. Manchen Hauseigentümern fällt zum Beispiel auf, dass ihre Tarife jüngst gestiegen sind.

Dabei haben die Nutzerinnen und Nutzer geglaubt, dank des Fernwärmenetzes nicht mehr den Schwankungen von Öl- und Gaspreisen ausgesetzt zu sein. Im Raum Basel machte etwa ein Fall Schlagzeilen, als der lokale Versorger von Fernwärme die Tarife kurzfristig um 40 bis 50 Prozent angehoben hat. Dies hängt damit zusammen, dass die die Preise mit dem allgemeinen Kostenniveau für Strom und andere Energieträger indexiert sind. Eine vollständige Unabhängigkeit vom allgemeinen Energiemarkt ist offenbar nicht möglich. Dasselbe gilt für Fernwärmenetze, die in Dörfern und mittleren Zentren eingeführt worden sind. Dabei handelt es sich oft um eine zentrale Anlage auf der Basis von Holz oder allenfalls Biogas. Im Kanton Schwyz erzeugt zum Beispiel ein lokales Energieunternehmen in einem Heizkraftwerk mit Biomasse Strom und Wärme. 

Immer mehr Städte setzen auf Fernwärme

Aufgrund der aktuellen Energieknappheit und Teuerung spricht einiges für die Umrüstung auf Fernwärme. Zum einen wird die Versorgung in vielen Städten wie Zürich, Bern, Basel, Lausanne, und Genf stark ausgebaut. Die Stadt Zürich hat zum Beispiel erst im letzten November einem Ausbau der thermischen Netze (Wärme und Kälte) mit 60 Prozent deutlich zugestimmt. In den Städten kommen ganz unterschiedliche Energiequellen zum Einsatz: Nicht nur die Abwärme aus der Kehrichtverbrennung, öfters sind es Fernwärmenetze, die mit Holz bzw. Holzschnitzeln betrieben werden. Teils kommt auch die Abwärme aus Dienstleistungen und industriellen Betrieben zum Einsatz, oder man nutzt erneuerbare Energie aus dem Seewasser, aus dem Grundwasser respektive aus Geothermie.

Laut Andreas Baumgartner ist Fernwärme sogar in Berggebieten eine interessante Option, etwa wenn die Gemeinde eine zentrale Heizanlage auf Basis einer Holzschnitzelfeuerung realisiert. Damit ist eine lokal verankerte und meist auch nachhaltige Energieversorgung möglich. Laut Berechnungen des WWF fallen die CO2-Emissionen bei der Fernwärme deutlich geringer aus als bei dezentralen Heizungen mit konventionellen Systemen. 

Praxis: Worauf kommt es im Betrieb an?

In der Praxis spielt es eine Rolle, dass der Betreiber eines Netzes mit Fernwärme ausreichender Kundinnen und Kunden findet; sowohl wirtschaftlich als auch ökologisch machen diese Netze dann sind, wenn in einem Wohnquartier ein hoher Versorgungsgrad erreicht werden kann. Das verbessert die Wirtschaftlichkeit und reduziert zugleich die Verluste an Wärme, die beim Transport nie ganz zu vermeiden sind. Denn über grössere Distanzen – über kilometerlange Leitungen – geht bei heissem Wasser ein immer höherer Anteil der Wärmeenergie verloren.

Eine politische Frage ist es schliesslich, ob Fernwärmenetze wirklich als CO2-neutrales System gelten können oder nicht. Objektiv lässt sich nicht leugnen, dass jede Verbrennung – also auch die Verbrennung von Kehricht – die Luft mit schädlichen CO2-Gasen belastet. Hinzu kommt, dass viele Anlagen zur Spitzenabdeckung und zum technischen Betrieb auch wieder Energie benötigen – nicht nur Strom, teils auch fossile Energieträger wie Gas. Fernwärme hat also wie jedes andere System zur Wärmeerzeugung seine Vor- und Nachteile.

Fassen wir die wichtigsten Punkte zusammen:

Das sind die Vorteile:

  • Ein lokales Unternehmen stellt die Versorgung mit Wärme sicher und nutzt lokal verfügbare Energie.
  • Zu einem wesentlichen Teil handelt es sich um erneuerbare Energie.
  • Je nach Variante und Mix an Energieträgern ist Fernwärme zu 70 bis 80 Prozent CO2-neutral.
  • Der Hauseigentümer spart eigene Investitionen, Unterhalt und Folgekosten.
  • Keine weiteren Installationen notwendig; überall wo Fernwärme verfügbar ist, kann jede Liegenschaft ans Netz angeschlossen werden.
  • Vor allem in Städten wie Zürich oder Basel ist schon heute eine Versorgungsdichte von über 50 Prozent erreicht oder wird angestrebt.

Das sind die Nachteile:

  • Kostenschwankungen werden zwar geglättet, aber auch Fernwärme lässt sich nicht völlig unabhängig vom Energiemarkt betreiben.
  • Der Hauseigentümer begibt sich in eine gewisse Abhängigkeit von seinem Energielieferanten. Im Nachhinein lässt sich die Liegenschaft nicht ohne weiteres wieder auf eine eigene Heizzentrale umrüsten. 
  • Für bestimmte Quartiere oder Städte hat der Energieversorger de facto ein Monopol. Der Hauseigentümer / die Hauseigentümerin hat keine freie Wahl bei unterschiedlichen Anbietern von Fernwärme.
  • Die Kosten, Kalkulation und Indexierung mit den Energiepreisen erweisen sich als komplex und teils intransparent.

Der Dachverband der Branche für Fernwärme hat weitere Argumente zusammengefasst und vermittelt fachliche Informationen: https://www.fernwaerme-schweiz.ch/fernwaerme-deutsch/allgemeine-Fragen/Vorteile-der-Fernwaerme.php

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