Bau und Kauf von Eigentumswohnungen erfreuen sich in der Schweiz grosser Popularität; in der Praxis führen aber der Interessenausgleich und die «gerechte» Aufteilung der Kosten immer wieder zu Diskussionen. 

Ein glückliches Paar steht vor ihrer neuen Wohnung und haltet einen Schlüssel vor die Kamera.
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Die Schweiz hat Stockwerkeigentum 1965 eingeführt. Manche Fachleute gaben der neuen Wohnform – günstiges Wohneigentum in Mehrfamilienhäusern – wenig Chancen. Seither hat sich viel verändert. Heute träumen viele Leute davon, eine Immobilie bzw. eine eigene Wohnung zu besitzen. In den letzten 10 bis 15 Jahren hat sich Stockwerkeigentum in der ganzen Schweiz durchgesetzt. 

Stockwerkeigentum: zeitgemäss Wohnen 

Vor allem in den Städten, teils auch in touristischen Regionen ist der Inbegriff von privatem Wohneigentum heute nicht ein freistehendes Haus, sondern eben eine individuelle Stockwerkeinheit. Jedes Jahr kommen durch Neubauten und Umnutzungen mehrere Tausend neue Eigentumswohnungen auf den Markt. Das Angebot ist attraktiv und vielfältig: Das Spektrum reicht von Luxusobjekten mit Seesicht über Familienwohnungen im mittleren Preissegment bis zu kleineren Studios oder attraktiven 2-Zimmer-Wohungen an zentraler Lage.   

Aus aktuellem Anlass widmete sich der letzte Immo Talk von newhome ausschliesslich Fragen rund um Stockwerkeigentum – angefangen von den gesetzlichen Grundlagen bis zur Finanzierung und Verwaltung. Ivo Frey, Leiter Kompetenzzentrum STWEG der Arlewo AG, sagte zu Beginn: «Stockwerkeigentum ist aktuell sehr gefragt. Denn ein eigenes Haus als Alleineigentum inklusive Bauland können sich viele nicht mehr leisten.» 

Wer eine Wohnung kauft, ist sich oft zu wenig im Klaren darüber, wie der Interessenausgleich zwischen den einzelnen Eigentümern gestaltet werden kann. Natürlich geniesst man in seiner eigenen Wohnung ein Maximum an Privatsphäre; eine Stockwerkeinheit lässt sich ganz nach dem eigenen Geschmack einrichten oder auch umbauen. Trotzdem ist jeder Eigentümer und jede Eigentümerin zugleich Teil der Hausgemeinschaft – eben der Stockwerkeigentümergemeinschaft. Mit der Wohnung sind also Rechte und Pflichten verbunden. 

Gesetzliche Bestimmungen: Was ist Sonderrecht? 

Das Schweizerische Zivilgesetzbuch definiert das Stockwerkeigentum als «Miteigentum»: «Stockwerkeigentum ist der Miteigentumsanteil an einem Grundstück, der dem Miteigentümer das Sonderrecht gibt, bestimmte Teile eines Gebäudes ausschliesslich zu benutzen und innen auszubauen» (gemäss Art. 712a ZGB). Das heisst: In Bezug auf die Nutzung und den Innenausbau ist der einzelne Stockwerkeigentümer frei – solange er nicht die Rechte der anderen Eigentümer verletzt oder gemeinschaftliche Bauteile der Liegenschaft beschädigt. Die Liegenschaft als Ganzes verbleibt – rechtlich gesehen – aber im Miteigentum aller Stockwerkeigentümer. Wesentliche Teile der Immobilie wie das Fundament, tragende Mauern oder das Dach sind gemeinschaftlich. 

Schon vor dem Kauf einer Wohnung gilt es, sich etwas eingehender mit der Materie zu befassen – auch wenn man sich absolut sicher ist, seine Traumwohnung gefunden zu haben.   

  • Kaufpreis: Meist lohnt es sich, den Kaufpreis der Wohnung unabhängig überprüfen zu lassen, etwa durch einen neutralen Immobilienschätzer oder eine Bank.
  • Zustand: Genauso ratsam ist eine genauere Prüfung der baulichen Qualität des Gebäudes. Da heute nicht nur Neubauten, sondern häufiger auch Geschosswohnungen in älteren Immobilien auf den Markt kommen, darf dieser Aspekt nicht unterschätzt werden. Die Wohnung sollte eben nicht nur innen tadellos aussehen – auch elementare Gebäudeteile wie tragende Wände, Fassade, Dach, Tiefgarage, Gebäudetechnik etc. sind genauer unter die Lupe zu nehmen (gemeinschaftliches Eigentum).  
  • Dokumente: Wer eine Stockwerkeinheit erwirbt, sollte die Spielregeln im Haus und die relevanten Dokumente kennen, zum Beispiel das Reglement der Stockwerkeigentümergemeinschaft (siehe Box unten). 
  • Finanzen: Wer eine Wohnung kauft, sollte sein Budget und die erwarteten Kosten durchrechnen. Beim Kauf ist es üblich, eine Hypothek aufzunehmen. Zinsen und Amortisationen machen einen grossen Teil des Budgets aus. Weiter sollten Sie nach den gemeinschaftlichen Kosten fragen (ähnlich den Nebenkosten bei Mietwohnungen). 

Keine Nebensache: Erneuerungsfonds 

Viele Fragen im Immo Talk drehten sich um Stichworte wie Finanzierung und speziell auch um den Erneuerungsfonds. Nach dem Gesetz ist ein solcher Fonds nicht Pflicht. Aber die meisten Reglemente im Stockwerkeigentum sehen vor, dass rund 1 bis 2 Prozent des Gebäudewertes jährlich einzuzahlen sind. Diese Rücklagen sind ein wichtiges Instrument, damit die Gemeinschaft der Miteigentümer längerfristig Geld für Erneuerungen spart. Denn bei jedem Haus sind eines Tages grössere Sanierungen fällig, etwa die Erneuerung von Dach und Gebäudehülle oder ein Ersatz der Heizung.  

Der Erneuerungsfonds wirft immer wieder Fragen auf, etwa beim Verkauf bzw. bei der Handänderung einer Wohnung. Oliver Bamert von der Thurgauer Kantonalbank sagte dazu: „Wer eine Eigentumswohnung kauft, sollte sich vergewissern, ob der entsprechende Anteil am Erneuerungsfonds im Kaufpreis inbegriffen ist.“ Dafür sind die Angaben im Kaufvertrag und allenfalls weitere Bestimmungen im Reglement der Stockwerkeigentümergemeinschaft massgeblich. Je nach Alter und Zustand einer Liegenschaft kann es sinnvoll sein, eine Fachperson beizuziehen, zum Beispiel einen Architekten. Wichtig ist dabei die Frage: Könnten in den nächsten Jahren grössere Renovationen anstehen? Wer sich in eine Gemeinschaft mit anderen Stockwerkeigentümern einkauft, sollte wissen, ob der Erneuerungsfonds angemessen dotiert ist. 

Renovation im Haus: Mehrheiten und Kosten  

Renovationen, Unterhalt und Reparaturen jeder einzelnen Wohnung sind natürlich allein Sache der einzelnen Stockwerkeigentümer. Sanierung und Unterhalt gemeinsamer Gebäudeteile im Miteigentum fallen jedoch in die Zuständigkeit der Gemeinschaft der Stockwerkeigentümer. Dazu gehören Bauteile, die für das Gebäude und dessen Festigkeit wesentlich sind, etwa die Fassade oder das Dach. Handelt es sich um Stockwerkeigentum, ist bei jeder baulichen Massnahme folgende Unterscheidung vorzunehmen: Handelt es sich um eine notwendige, eine nützliche oder eine luxuriöse Massnahme?  

Als notwendig ist nach allgemeinem Verständnis die Sanierung eines lecken Daches oder einer Stützmauer, welche einzustürzen droht, zu taxieren; die Mehrheit der Stockwerkeigentümer kann solche Massnahmen beschliessen. In jedem Einzelfall leiten sich die erforderlichen Mehrheiten aus dem Gesetz und dem Reglement ab. Besonders hoch sind die Anforderungen bei baulichen Massnahmen, die rein «der Bequemlichkeit und Verschönerung dienen» (ZGB Art. 647e). Diese Massnahmen bedürfen der Zustimmung aller Stockwerkeigentümer.  

Fazit 

Fassen wir die wichtigsten Erkenntnisse zusammen: Sobald gemeinschaftliche Teile der Immobilie renoviert oder instandgesetzt werden müssen, tangiert dies alle Stockwerkeigentümer im Haus. Sie müssen gemeinsam entscheiden und auch die gemeinschaftlichen Kosten regeln.  

Der private Besitz einer Wohnung bietet sehr viel individuelle Freiheit und Gestaltungsspielraum. Dennoch ist daran zu erinnern, dass noch andere Miteigentümer unter dem gleichen Dach wohnen und wichtige Entscheide gemeinsam gefällt werden müssen. 

Wer in den letzten fünf oder zehn Jahren Stockwerkeigentümer wurde, profitierte von einer hohen Wohn- und Lebensqualität; die weitaus meisten Eigentumswohnungen in der Schweiz weisen einen überdurchschnittlich guten Ausbaustandard auf. Eine Wohnung lässt sich meist auch gut wieder verkaufen – in der Praxis finden sich meist rasch neue Eigentümer.   

Tipps: Die wichtigsten Dokumente zum Stockwerkeigentum 

Jede Käuferin und jeder Käufer, ist gut beraten, vor dem Kauf die Spielregeln unter die Lupe zu nehmen. Zu prüfen sind folgende Urkunden und Unterlagen: 

Das Reglement der Stockwerkeigentümergemeinschaft regelt Verwaltung, Benutzung, Kostenverteilung, Abstimmungsmodalitäten und mehr. In diesem wichtigen Dokument finden sich detaillierte Bestimmungen, wie die einzelnen Wohnungen oder Räume benutzt werden können. Es ist quasi auch eine Benutzungsordnung der «im Sonderrecht stehenden Räume und Einrichtungen», wie es nach Schweizer Recht formuliert wird.

Die Hausordnung regelt das alltägliche Zusammenleben, lässt den Bewohnern aber in vielen Fällen etwas mehr Freiheiten als die Hausordnung in einem Mietshaus.

Der Verwaltungsvertrag umschreibt das Mandat der eingesetzten Verwaltung.

Der öffentlich beurkundete Begründungsakt definiert die Stockwerkeinheiten. Besonders wichtig sind die Wertquoten, also der Anteil der einzelnen Wohneinheiten am Gesamtgebäude. Zum Teil enthält die Urkunde auch Angaben zu Vorkaufs- und Einspracherechten bei Handänderungen.

Die Beschlüsse der Jahresversammlungen enthalten weitere bei einem Erwerb wichtige Informationen.

Oberstes Organ der Gemeinschaft ist die Versammlung der Stockwerkeigentümer, die in der Regel jährlich einberufen wird und über wichtige, alle betreffende Angelegenheiten befindet. Alle Eigentümer sind stimmberechtigt und können Anträge einbringen.

Bevor man einen Kaufvertrag unterzeichnet, sollte man sich informieren, ob das Zusammenleben in der Liegenschaft reibungslos funktioniert. Am besten fragt man bei einzelnen Eigentümern nach oder erkundigt sich bei der Verwaltung.

Schauen Sie sich hier nochmals die Aufzeichnung zu unserem Immo Talk zu Stockwerkeigentum an.

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