Die Idee entstand im Jahr 2013 in Schweden: HOffice, kurz gesagt die Verbindung von Home und Office. In Zeiten der Corona-Krise ist der Begriff aktueller denn je. Das Büro zuhause muss keine unangenehme Pflichtübung sein, wenn man es inspirierend einrichtet. Und warum nicht Freunde oder andere Leute einladen, den Büroalltag zuhause zu teilen? Wir erklären die Vor- und Nachteile.
- HOffice: Die Idee kurz vorgestellt
- Coworking motiviert und bereichert
- Wo findet man freie Räume?
- HOffice, ja, aber mit wem?
- HOffice: Vor- und Nachteile
- Anleitung: Das Office richtig einrichten
- New Work: Ausblick
Seit im ersten Lockdown im März 2020 plötzlich die halbe Schweiz zuhause arbeitete, schaffte es der Begriff Home Office, innerhalb kürzester Zeit zu einem Schlüsselwort des Jahres zu werden. Wie bitte – und jetzt noch einmal ein Anglizismus wie HOffice?
Das Kunstwort HOffice ist auch eine Mischung aus Home Office und Coworking Space.
HOffice: Die Idee kurz vorgestellt
Die Idee geht auf den schwedischen Psychologen Christofer Gradin Franzén zurück. Als er 2013 allein an seiner Masterarbeit schrieb, fühlte er sich isoliert. Er kam mit seinem Arbeitstag allein am Küchentisch nicht klar. Die Idee wurde konkret, als er zuerst seine Freundin und später Freunde aus seinem Kollegenkreis zu sich nach Hause einlud. Zu einer vereinbarten Zeit trafen sie sich am Morgen und erzählten von ihren Plänen für den Tag.
Tipp: Coworking motiviert!
Nach und nach entwickelte sich daraus ein Konzept mit verschiedenen Methoden aus der Wirtschaftslehre und der Psychologie. Je nach Gruppe gehören Meditation oder buddhistische Ansätze zum Angebot. Das Ziel: mit klaren Strukturen konzentriert arbeiten, sich mit anderen austauschen, seine Ideen teilen. Das Experiment gelang: Die Leute fühlten sich wesentlich besser aufgehoben, waren motivierter und produktiver. Tatsache ist: Viele Leute, die allein im Home Office sind, kommen morgens nie richtig in die Gänge. Ihnen fehlt ein Ritual, um sich frisch zu machen, sich überhaupt anzuziehen.
«Working»: Kontakte bereichern
Das Klischee vom digitalen Nomaden, der im Pyjama am Küchentisch sitzt, ist da nicht ganz fehl am Platz. Viele Leute sind wesentlich motivierter, wenn sie sich mit anderen über ihre Arbeit austauschen können. Sie halten die selbst gesetzten Ziele eher ein, halten auch eher Ordnung und managen ihre eigene «Selbst-Organisation» wesentlich erfolgreicher.
Typischerweise richtete sich die Idee zuerst vor allem an Studenten, Freelancer, Freiberufler und Leute, die auf Honorarbasis in ganz verschiedenen Projekten tätig sind. Es ging darum, den Alltag möglichst unkompliziert zu gestalten und den Leuten die sonst üblichen Kosten in Bürohäusern und Co-Working-Spaces zu ersparen.
Auf dem freien Markt gibt es zwar inzwischen eine grosse Zahl von Coworking-Büros: Sie sind meist optimal für die Digital Natives eingerichtet, mit Infrastruktur, Küche, Verpflegung und je nach Bedarf auch weiteren Services für Administration, Telefondienst und vieles mehr.
Tipp: Gibt es in der Siedlung freie Räume?
«Wer sich etwas umsieht, wird durchaus Möglichkeiten fürs HOffice finden», sagt die Zürcher Innenarchitektin Mabel Lutz. In vielen Siedlungen – etwa von Genossenschaften oder Stockwerkeigentümergemeinschaften – finden sich meist Nebenräume, Bastelräume, Ateliers etc. Wer also zuhause in den eigenen vier Wänden zu wenig Platz hat, wird meist durchaus fündig – oder man fragt gezielt im Freundes- und Bekanntenkreis, wer für ein solches Experiment zu haben wäre und auch ein Raumangebot hätte. Schwierig wird es höchstens, wenn die Wohnung ohnehin bereits stark belegt ist und es einfach an Infrastruktur und auch an einer klugen räumlichen Aufteilung fehlt. Ein häufiger Einwand lautet, dass es sich Menschen im Home Office nicht vorstellen können, den Arbeitsalltag mit «Fremden» zu teilen. In Berlin, Zürich oder anderen Städten gibt es tatsächlich HOffice-Gruppen, die einem grossen Publikum offenstehen.
Öffentlich oder rein private «Selbsthilfe»?
Tipp: Es muss ja nicht gleich diese Organisationsform sein. Sehr oft sind der Partner oder die Partnerin und viele Leute im privaten Netzwerk mit den gleichen Problemen konfrontiert. Warum nicht Freunde, Arbeitskollegen oder die Verwandten fragen? So kommt es in der Praxis heute sehr oft vor, dass die Leute ihr HOffice mehr als privates Netzwerk einrichten – eben mit Leuten, mit denen sie ohnehin gerne Zeit verbringen.
HOffice ist nicht in dem Sinne ein Business Modell, sondern beruht auf dem Sharing-Gedanken. Jedenfalls in der ursprünglichen Gruppe des schwedischen Psychologen Franzén war das Ganze flexibel organisiert und uneigennützig. Der Gastgeber stellte nicht nur den Platz kostenlos zur Verfügung, sondern auch W-Lan, Getränke, Snacks etc.
HOffice: Vorteile
- HOffice beruht ursprünglich auf dem Gedanken des Sharings. Ökonomisch ist es vernünftig, das Büro mit anderen zu teilen.
- Nicht alle, aber viele Leute arbeiten produktiver und schöpfen Energie aus dem Austausch mit anderen Menschen.
- Gemeinsame Pausen bringen die Menschen auf andere Gedanken und tragen dazu bei, den nächsten Arbeitsschritt konzentrierter anzugehen.
- Es ist jeder Gruppe selbst überlassen, wie sie ihren Alltag gestaltet (von den eigenen Projekten erzählen, gemeinsam Pause machen, zwischendurch Sport, Entspannung, Yoga etc.).
HOffice: Nachteile
- Sehr grosszügige Flächen, Rückzugsräume, Sitzungszimmer, weitere Büroinfrastruktur sucht man im HOffice meist vergeblich.
- Manche Leute empfinden bei einem gemeinsamen Arbeitstag doch einen gewissen sozialen Druck. In der HOffice-Gruppe fehlt ihnen der private Rückzugsraum. Oder die ganze Gruppendynamik ist auch wieder mit Aufwand verbunden (organisatorische Fragen, Konfliktpotenzial, unterschiedliche Auffassungen über die Nutzung der gemeinsamen Räume, störende Gespräche von vis-à-vis etc.).
- Wenn sich die Leute noch gar nicht kennen, treten gewisse Differenzen vielleicht erst später zu Tage. Vielleicht möchten die einen noch etwas esoterische Stimmung reinbringen, oder eine bestimmte Berufsgruppe gibt den Ton an.
Anleitung: Das Office richtig einrichten
Es ist schon viel gewonnen, wenn der Raum passend eingerichtet ist. Die Innenarchitekten Mabel Lutz sagt dazu: «Das A und O ist, dass man sich schon etwas Zeit für die Einrichtung nimmt und die gemeinsam genutzten Flächen bewusst gestaltet.» Eine elementare Regel lautet zum Beispiel: Wenn das Ganze rein äusserlich zum Beispiel bisher als «Bastelraum» oder Abstellzimmer genutzt wurde, sollte das neue Office zumindest gut aufgeräumt sein. Es kommt kaum gute Arbeitsstimmung auf, wenn noch Dinge wie Home Trainer, Wäschekörbe, Zügelkisten und in einer Ecke eine alte Carrera-Autobahn herumstehen.
Pflanzen, Teppiche, Vorhänge, Bilder, individuelle Gegenstände und einiges mehr tragen wesentlich zu einer inspirierenden Atmosphäre bei. Nicht zu unterschätzen ist auch die Akustik. Wenn der Raum gar nicht richtig eingerichtet ist, wirkt er optisch kahl und führt bei Gesprächen und Telefonen zu einem unangenehmen Hall im Raum. Solange die Corona-Krise anhält, ist auch an die üblichen Vorsichtsmassnahmen zu erinnern (allenfalls Trennwände, Abstand, Belüftung etc.).
Da viele Leute in der Welt von «New Work» oft Zoom-Konferenzen abhalten oder telefonieren, sollte dafür ein spezieller Raum eingeplant werden. «Ideal ist eine separate Ecke oder ein Sessel mit neutralem Hintergrund für Videokonferenzen», sagt Mabel Lutz.
New Work: Ausblick
Während die Idee in Skandinavien und Dänemark schon seit einigen Jahren grosse Resonanz hat, ist die Zahl der HOffice-Pioniere in Deutschland oder der Schweiz noch überschaubar. Eine offizielle Zahl gibt es natürlich nicht. Vermutlich haben sich viele Gruppen rein privat organisiert. Eine gewisse Skepsis mag damit zu tun haben, dass nicht alle Leute ihr Zuhause, den Strom- und Internetanschluss und die Toilette mit anderen teilen wollen. Hoffice-Gründer Franzén vermutet, dass dies auch mit der Mentalität und der Kultur in verschiedenen Ländern zu tun hat. Die deutsche Zeitung «Die Zeit» zitiert ihn mit dem Satz: «Viele Menschen zögern, mit Fremden zu arbeiten. Es hat viel damit zu tun, wie hoch das gegenseitige Vertrauen in der jeweiligen Gesellschaft ist.»
Weitere Informationen rund um Wohntrends von morgen lesen Sie in unseren Beiträgen Generation Z: So wohnen wir morgen und Rurbanisierung: Die Megatrends nach der Pandemie.
Ich finde Homeoffice nicht firmentauglich!
Als ehemaliger Firmeninhaber mit bis zu 28 Angestellten, würde ich auch heute kein Homeoffice
erlauben.
Grund: Pro Jahr habe ich als Chef mind. zwei offizielle Qualigespräche. Dort geht’s um Standort- und Entwicklungsanalyse…
Nur damit gibt es eine Lohngerechte Standortbestimmung jeder Mitarbeiter/ in!
Sehr geehrter Herr Nötzli
Vielen Dank für diesen wichtigen Beitrag. HOffice haben wir eher als interessante Variante verstanden, für Leute, die nicht unbedingt täglich an einem festen Arbeitsort sein müssen. Aber wir geben Ihnen recht: Gewisse Gespräche, Personalführung und Beurteilungen sind anspruchsvoll und heikel. Nicht alles kann sinnvoll über Videokonferenzen, Zoom-Meetings etc. abgewickelt werden.
Yo, und wegen *zwei Gesprächen* pro Jahr kein Homeoffice erlauben, nice. Es gibt ja auch immer Mittelwege. Wir sind seit einem Jahr komplett eine Homeoffice Firma geworden und treffen uns (im Moment, sofern es der Bund erlaubt, also seit Januar nicht mehr) einmal pro Woche in einem Coworking. Das funktioniert grundsätzlich sehr gut, aber wir sind auch nur 4 Angestellte. In grösseren Firmen stelle ich mir das schwieriger vor, jedoch nicht per se unmöglich.
Es gibt sehr viele Aufgaben, die sich bestens fürs HOffice und Co-Working eignen: Freelancer, Gestalter, Programmierer, Texter, oft auch Marketing, Übersetzung. Dokumentation, Recherche, Organisation, Telefonmarketing, Websiten, Vorträge und Lehrtätigkeiten zuhause vorbereiten etc. etc.
Vielen Dank für Ihre Beiträge und Kommentare. Die Meinungen gehen offenbar auseinander. Aber viele Unternehmen wie Siemens, Google, Swiss Re oder Zurich werden wohl weiter stark auf neue, digitale und mobile Arbeitsformen setzen. Somit sind HomeOffice oder eben HOffice weiter ein Thema, das uns erhalten bleibt.