Mit dem Modell «Stadt der Zukunft» geht es darum, die grossen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts zu meistern. Künftige Neubauten und die Raumentwicklung werden nicht nur uns, sondern auch der Umwelt und der Gesellschaft als Ganzes zugutekommen.  

Wie sieht die Stadt der Zukunft aus und auf was muss man sich vorbereiten? (Bild: Canva)

Wir bewegen uns schon nahe an der Schwelle zur 9-Millionen-Schweiz. Nach den jüngsten Prognosen des Bundesamtes für Statistik (BfS) liegt sogar die Zahl von zehn Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern in gar nicht allzu weiter Ferne. Ein starkes Bevölkerungswachstum und eine dynamische Stadtentwicklung sind ein globaler Trend. Kein Wunder: Die Städte waren schon immer attraktiv. In den grossen Ballungsräumen finden sich am meisten Arbeitsstellen; die Infrastruktur und auch das Kultur-, Sport- und Freizeitangebot sind ausgezeichnet – gerade in der Schweiz.  

Städte wie Genf, Zürich oder Bern landen in den globalen Rankings immer auf den Top-Plätzen. Hier ist das Leben zwar nicht billig, aber Schweizer Städte bieten eine sehr hohe Wohn- und Lebensqualität. Praktisch jeder Kanton hat seinen Reiz – sei es das prächtige Stadtbild von St. Gallen oder die Seelandschaften rund um Zürich, Luzern, Zug und Genf. Ebenso reizvoll sind die touristischen Regionen, oder die Altstadt von Bern, die zum UNESCO-Weltkulturerbe zählt.  

Wie sieht die Stadtentwicklung in der Schweiz aus?   

Die Zahl der grossen Metropolen mit zehn Millionen Einwohnern wird global weiter wachsen. Es gibt aber einen grossen Unterschied zur Raumentwicklung in der Schweiz: Während die Menschen in den grossen Mega-Citys der Welt oft in misslichen Verhältnissen leben und die Infrastruktur nicht mithalten kann, profitiert die Schweiz von Wohlstand und hoher Lebensqualität. Die Schweiz zählt zu den ausgesprochen wettbewerbsfähigen Volkswirtschaften. Wir erzielen pro Kopf eines der höchsten Einkommen der Welt und schaffen die Wende zu einer nachhaltigen Wirtschaft. Die Schweiz ist Vorreiterin in der Entwicklung innovativer Technologien und fördert zum Beispiel Elektromobilität und die Ausstattung vieler Gebäude mit Photovoltaik. All diese Massnahmen tragen dazu bei, dass die Stadtentwicklung und der Städtebau in der Schweiz ein sehr gutes Renommee haben.
Die meisten Leitbilder zur Stadtentwicklung verpflichten sich, den bewährten Mix von Wohnen, Arbeiten, Dienstleistungen und Kultur zu bewahren. Von selbst versteht es sich, dass der Schutz der vielen grünen Naherholungsgebiete Vorrang hat. Eine gut fundierte Information zu den Richt- und Nutzungsplänen finden sich meist auf der Website des jeweiligen Kantons (Geoportale der Kantone, siehe Link unten).

Stadtentwicklung: Wie viel Wachstum ist nötig?   

Was eine nachhaltige Stadtentwicklung ist und welches Bevölkerungswachstum Sinn macht, bleibt immer eine politische Frage. Tatsache ist, dass die ständige Wohnbevölkerung in den letzten Jahren stark zugenommen hat; auch der Bedarf an Wohnfläche pro Person steigt. Jeder zusätzliche Haushalt braucht eine Wohnung. Gemäss einem Szenario, das das Beratungsunternehmen Wüest Partner berechnet hat, müssten in den nächsten drei Jahren zusätzlich mindestens 50’000 Wohnungen gebaut werden. Dazu bräuchte es eine gemeinsame, gross angelegte Wohnbauinitiative, die gemeinsam von privaten Investoren, den Genossenschaften und der öffentlichen Hand getragen wird.
In den nächsten drei Jahren müssten mindestens 50’000 zusätzliche Wohnungen gebaut werden. (Bild: Canva)

Welches sind die häufigsten Probleme der Raumentwicklung?   

Manche Investoren und Ökonomen kritisieren aber, dass der Raumentwicklung regelrecht ein Riegel geschoben wird. Anstatt Anreize zu schaffen, prägen rigide Baugesetze und oft schier endlose Planungsverfahren das Bild. «In der Schweiz ist es nun mal so, dass bei Bauprojekten alle mitreden wollen», sagt der renommierte Raumplaner Urs Meier von Planpartner in Zürich. Wer sich genauer mit der Materie befasst, stellt allerdings fest: Wer die Raumentwicklung fördern will, muss gar nicht unbedingt mehr Bauland einzonen. Nach der kantonalen Planung und gemäss den Bau- und Zonenordnungen gebe es an sich Raum genug, sagt Meier. Das Problem ist ein anderes: Meist lassen sich nur dann Neubauten realisieren, wenn alte bestehende Gebäude abgerissen werden. «Damit kommt man in den Zielkonflikt, dass mit der Neustrukturierung preisgünstiger Wohnbau in Altbauten verschwindet», erklärt der Raumplaner Urs Meier.
Kommt dazu, dass die Nachverdichtungen innerhalb des Siedlungsgebietes eben sehr anspruchsvoll, komplex und langwierig ist. «An sich würden die Raumplanung oder eben der kantonale Richtplan durchaus einen grossen Spielraum bieten», betont Meier weiter. In den bestehenden Bauzonen finden sich theoretisch noch sehr umfangreiche Kapazitätsreserven. Doch in der Praxis scheitert die Verdichtung an vielen Schwierigkeiten.

Die Rolle der Politik 

Praktisch überall zeigt sich, dass die Siedlungsentwicklung und bauliche Verdichtungen mit vielerlei Opposition rechnen muss. Bekannt ist dafür der Begriff NIMBY. Der oft zitierte Begriff steht für das englischsprachiges Akronym not in my backyard («nicht in meiner Nachbarschaft»). Die Bevölkerung ist mehrheitlich für Verdichtung und Wohnbau, verhindert aber de facto jedes Projekt vor der eigenen Haustüre. 

Viele Leute sorgen sich, dass Hochhäuser oder überhaupt neue Projekte im grossen Massstab das Quartier verändern oder ihnen zumindest die gute Sicht verbauen würden. Experte Urs Meier sagt weiter: «Für eine bessere Raumentwicklung bräuchte es gar nicht viel. In vielen Agglomerationen wäre schon sehr viel gewonnen, wenn an die Stelle einer zweigeschossigen Bauweise dreigeschossige Wohnhäuser erlaubt wären.»  

Raumentwicklung: Stadt vs. Land 

Findet die Stadtentwicklung künftig eher im äusseren Agglomerationsgürtel und auf dem Land statt? Neubauten ausserhalb der grossen Städte wie Genf, Basel, Lausanne und Zürich sind nicht unbedingt falsch. Denn die Schweiz verfügt über eine gut ausgebaute Infrastruktur und einen ausgezeichneten öffentlichen Verkehr. 

Eine nachhaltige Entwicklung ist dann möglich, wenn die Menschen nicht gleich unerträglich lange Pendlerwege in Kauf nehmen müssen. Wer in 20 oder 30 Minuten ins Büro pendeln kann, büsst deswegen nicht an Lebensqualität ein und hat immer noch viel Zeit, das Familienleben und Freundschaften zu pflegen. 

Seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie 2020 sind wir um die Erkenntnis reifer geworden, dass auch nicht alle Menschen von morgens um 8 Uhr bis 17 Uhr im Büro präsent sein müssen. In sehr vielen Berufen und Unternehmen ist es durchaus möglich, einen Teil der Arbeitszeit zu Hause zu verbringen. Das Home Office prägt damit ein Stück weit auch die Stadtentwicklung.  

Welche Bedeutung hat Nachhaltigkeit bei der Stadtentwicklung?   

Die meisten Planerinnen, Bauherrschaften und Investoren sind sich in einem Punkt einig: Die Stadt der Zukunft wird grüner und nachhaltiger. Die Energiebilanz der Gebäude kann dank der Digitalisierung von der Planung über den Bau bis zum Betrieb geplant und optimiert werden. Dazu bedarf es neuer Methoden, der sorgfältigen Auswahl von Materialien und der konsequenten Umstellung auf eine gute Wärmedämmung und die Versorgung mit erneuerbarer Energie. Die Schweiz will bis zum Jahr 2050 klimaneutral werden. «Zero Emission» bzw. «netto null», lautet das Motto.
Die Stadt der Zukunft wird grüner und nachhaltiger. (Bild: Canva)

Stadtplanung neu denken  

In der Stadt- und Raumentwicklung gewinnt aber auch der Hitzeschutz immer mehr an Bedeutung. Das zeigt sich bereits deutlich in der Wohnungsnachfrage: Immer mehr Mieterinnen und Mieter suchen Wohnungen mit gut beschatteten Aussenräumen (private Terrasse, Loggia, Gartensitzplatz etc.). Wenn im Sommer in den dicht bebauten Städten – wo praktisch jeder Quadratmeter überbaut und versiegelt ist – die Hitze brütet, suchen viele Leute Abkühlung auf dem Land. In diesem Kontext sind also die Stadtplaner gefordert: Grosse Gebäude und gewisse Bauformen wirken wie ein Riegel, der die natürliche Luftzirkulation verhindert. Um der Überhitzung in der Stadt der Zukunft vorzubeugen, muss sich die Stadt- und Raumentwicklung verändern. Es führt kein Weg daran vorbei, die Innenstädte grüner zu gestalten und den Luftwechsel zu verbessern. 

Wie werden sich internationale Städte entwickeln?   

In diesem Zusammenhang werden einige Innovationen aus Barcelona und anderen Städten zitiert. In Barcelona haben zum Beispiel verkehrsberuhigte Häuserblöcke Schule gemacht, in denen sich graue Beton- und Asphaltwüsten in grüne Quartiere mit hoher Lebensqualität verwandeln. An die Stelle von vielen parkierten und fahrenden Autos dominieren verkehrsberuhigte Strassenräume.
Parkplätze weichen in Barcelona gemütlichen Sitzbänken und neu gepflanzten Bäumen. Die Natur und die Grünräume erobern sich ein Stück weit Raum in der Stadt zurück. Die Luftverschmutzung und die Lärmbelästigung lassen sich deutlich reduzieren, und übrigens machen urbane Grünflächen auch die Bruthitze im Sommer erträglicher. Erfunden wurde das unter dem Begriff «Superblock» bekannte Modell in Barcelona vom katalanischen Umweltingenieur und Biologen Salvador Rueda.

Stadt von Morgen: Welche Bedeutung haben Smart Cities in der Stadtentwicklung?   

Schliesslich taucht im Kontext der Stadt der Zukunft der Begriff «Smart City» auf. Im Kern geht es um Digitalisierung und neue Technologien. In der Stadt der Zukunft werden die gesamte Infrastruktur, die Energieversorgung und Geräte vernetzt. Die Mobilität wird je nach Verkehrsaufkommen digital gelenkt, immer mehr werden in dieser Zukunftsstadt wohl auch automatisch fahrende Roboterfahrzeuge die Szene prägen. Die Mobilität, die Energieversorgung, aber beispielsweise auch die Gesundheitsversorgung und Krankenbetreuung werden digitalisiert und eben «smart». Je nach Sichtweise hat diese von Daten und Computern geprägte Stadt auch eine Kehrseite. Manche Leute fürchten sich vor Überwachung und einer vollständigen Erfassung aller Daten, aller Verhaltensweisen und Konsumgewohnheiten.
Weitere Informationen zu Smart Cities in der Schweiz: Smart Cities in der Schweiz: lebenswerte Zukunft
Alles vernetzt – Smart Cities sind die Prognose einer Stadt der Zukunft. (Bild: Canva)

Fazit: Raumentwicklung für alle

Wenn Sensoren und Überwachungskameras die Stadt prägen, weckt das Ängste und Befürchtungen. Die Digitalisierung kann aber auch von Nutzen sein, etwa in der Bekämpfung der Kriminalität oder für eine bessere Steuerung aller Ressourcen. Zu einer «Smart City» gehört daher auch der Aspekt der Partizipation. Das Ziel muss lauten, dass sich die Wohnbevölkerung einbringen kann. Bürgerinitiativen und Verantwortungsgefühl sollen gefördert werden. Wenn es um die Stadt- und Raumentwicklung geht, kommen damit wieder gut bewährte Schweizer Werte ins Spiel. Denn in der Schweiz können bekanntlich alle Bürgerinnen und Bürgern auf der Stufe Kommune, Kanton und Bund mitbestimmen. Und zwar nicht nur bei demokratischen Wahlen, sondern auch mit Initiativen, Referenden und Sachabstimmungen. Die Stadt von Morgen ist somit auch eine gesellschaftliche Vision – die künftige Raumentwicklung dient den Interessen von uns allen. 

Wo findet man Informationen zur Raumplanung und zur Entwicklung der Landschaft?  

Bundesamt für Raumplanung:  Die eidgenössische Behörde ist zuständig für die übergeordnete Raumplanung. https://www.are.admin.ch/ Hier finden sich auch wesentliche Inhalte zu den gesetzlichen Grundlagen, zur Raumentwicklung in der Schweiz und zu kantonalen Richtplänen. Es gibt auch eine Abteilung, die für Mobilität, Agglomerationen sowie ländliche Räume zuständig ist.

Strategie der Raumentwicklung in der Schweiz:  https://www.are.admin.ch/are/de/home/are/strategie.html

Geoportale der Kantone: 

https://www.kgk-cgc.ch/geodaten/kantonale_geoportale

Daneben finden sich wichtige Informationen zu den kantonalen Richtplänen etc. bei der jeweiligen Fachstelle Raumentwicklung in den Kantonen. Hier eine Auswahl: 

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