Wer jetzt ein Haus baut, wer die eigenen vier Wände verschönern und umbauen will, muss sich auf Überraschungen gefasst machen. Plötzlich wird beim Bauen vieles teuer. Schuld daran sind Lieferengpässe, global teurere Rohstoffe und eine starke Nachfrage.
- Wenn das Haus nicht fertig wird
- Baumaterial massiv teurer
- Ursachen der Bauteuerung
- Jeder will sein Haus verschönern
- Es droht sogar Baustopp
- Nicht alle Kostenpositionen betroffen
- Tipps für die Praxis
- Was tun, wenn die Baumaterialien teurer werden?
Nehmen wir als Beispiel Hauseigentümer Marcel S. in Winterthur (Name geändert): Neulich hätte ein Holzbauer einige Arbeiten am Dach ausführen sollen. Doch der Unternehmer hat Marcel S. immer wieder warten lassen.
Jetzt kommt die nächste Überraschung: Der Unternehmer will die Arbeit weiter auf die lange Bank schieben. «Uns fehlt das nötige Material, Holz ist derzeit sehr knapp», klagt der Unternehmer am Telefon. Weiter will er auch nicht garantieren, die Arbeit zum ursprünglich offerierten Preis auszuführen.
Wenn das Haus nicht fertig wird
Marcel S. ist kein Einzelfall. Sowohl grosse Bauherren wie Kantone und Gemeinden, aber auch private Bauherrschaften erleben solche Überraschungen. Mehr oder weniger sind weiter Private betroffen, die Neubauwohnungen gekauft und schon Anzahlungen geleistet haben. Steigende Materialpreise, Terminprobleme oder schlicht fehlende Bauteile und fehlende Geräte sind keine Seltenheit. Wie konnte es dazu kommen?
Fachleute sind sich einig, dass offenbar mehrere Faktoren zusammenkommen. Michael Meuter von Lignum, der Branchenorganisation der Holzwirtschaft, fasst es so zusammen: «Viele Rohstoffe für das Bauen haben sich verknappt und sind generell teurer geworden.» Betroffen ist nicht nur Holz, sondern auch Stahl oder Aluminium. Gleichzeitig haben die Preise für Bauprodukte aufgeschlagen, die auf Erdöl basieren, also zum Beispiel Rohre, Folien, Dämmungen und Isolationsplatten (für Fassaden und Dächer).
Baumaterial massiv teurer
Holzprodukte, die für den Bau wichtig sind, sind von einer Teuerung betroffen, wie wir sie schon lange nicht mehr gesehen haben. Für das erste Quartal 2021 ist von massiven Preissteigerungen von 10 bis 35 Prozent die Rede. Deutsche Medien berichten sogar von einer sprunghaften Teuerung von 35 oder 40 Prozent – etwa bei Holz, das für Baukonstruktionen verwendet wird, oder für Betonstahl.
Mindestens so gravierend sind aber die Lieferengpässe! Das tönt etwa so: Während manche Holzprodukte oder Isolationsmaterial sonst in 24 Stunden geliefert wurde, dauert es jetzt Monate. Und der Preisschock, von dem letztlich Unternehmer, Handwerker und Endverbraucher gleichermassen betroffen sind, ist wohl noch nicht vorüber.
Fachleute rechnen zwar mit einer gewissen Entspannung im Lauf dieses Jahres. Es gilt aber als unwahrscheinlich, dass die Preise wieder auf das Vorjahresniveau zurückfallen. Ein erstes Fazit: Wer baut oder umbaut, muss die Bauteuerung in seinem Budget einkalkulieren. Für Private ist es ratsam, das Gespräch mit den Handwerkern und Unternehmern zu suchen.
Tatsache ist auch: Die Bauteuerung schlägt praktisch überall durch, und sie erfasst ausnahmsweise alle Regionen der Schweiz. Es lässt sich auch nicht sagen, dass ganz bestimmte Projekte oder Umbauvorhaben verschont bleiben. Die öffentlichen Bauherrschaften haben bereits eine Empfehlung herausgegeben. Sie erklären sich bereit, zumindest für einen Teil der höheren Preise aufzukommen (siehe Link unten).
Ursachen der Bauteuerung
Nach den ersten Coronawellen hatten die USA und China offenbar einen starken Nachholbedarf auf dem Bau. Letztes Jahr nahm die Zahl der US-amerikanischen Bauprojekte wieder stark zu. Hinzu kommen noch die milliardenschweren Programme zur Ankurbelung der Konjunktur. «Plötzlich fingen die USA an, ihren überschiessenden Bedarf an Bauholz auf dem europäischen Markt zu decken», so Meuter von Lignum. Das Material fehlte dann dafür in Europa. Und da der hiesige Holzbau zu 70 Prozent von Importen abhängig ist, bekam der Schweizer Baumarkt die europäische Grosswetterlage kräftig zu spüren. So kam es, dass die globalen Trends letztlich auch in der Schweiz durchschlagen.
Matthias Engel, Mediensprecher des Schweizerischen Baumeisterverbands, hält dazu fest: «Die stark gestiegene Nachfrage der beiden Wirtschaftsgrossmächte China und USA treibt die Preise global an. Denn die USA und China kaufen auch viel Material in Europa ein. Das macht insbesondere China, traditionell ein Stahlexporteur, derzeit zu einem Stahlimporteur.»
Jeder will sein Haus verschönern
Es kommen noch weitere Faktoren dazu, die die Baupreise antreiben:
Im Zug der Pandemie haben viele Betriebe, Hersteller und Zulieferer ihre Produktion gedrosselt oder zeitweise ganz still gelegt. Das führt über kurz oder lang zu Engpässen und Lieferschwierigkeiten.
Zugleich haben viele Leute die bewährte Lebensweisheit «My Home is my Castle» neu entdeckt. Sehr viele Menschen verbrachten viel Zeit in den eigenen vier Wänden. Die einen wollten Garten, Wohnzimmer, Dach, Küche und Bad verschönern und ausbauen. Andere frönten ihrer Lust als Heimwerker. Das führte ebenfalls zu einer starken Nachfrage. In der Schweiz kommt noch dazu, dass viele Baugeschäfte und Handwerker alle Hände damit zu tun haben, Unwetterschäden an Dächern und Fassaden zu beheben.
Es droht sogar Baustopp
Der Bauherrenberater Othmar Helbling stellt dazu fest: «Ich höre aus der Praxis sogar Schilderungen, dass Projekte gestoppt oder stark verzögert werden.» Bauunternehmer, die bestimmte Materialien brauchen, müssen sie wie an einer Börse zum Tagespreis kaufen – und bekommen oft nicht ausreichend genügend Material geliefert, um damit ans Werk zu gehen.
Müssen sich nun auch Private darauf einstellen, dass alles teurer wird, wenn sie bauen und umbauen? Wer jetzt Handwerker bestellt und Bauprojekte starten will, muss sich auf Überraschungen gefasst machen. Es kommt aber immer auf die Arbeit oder das Projekt an: Kaufen Sie eine Wohnung zum Pauschalpreis ab Plan? Bei diesen Modellen von Verkauf und Vermarktung haben sich die grossen Generalunternehmer meist gegen eine starke Teuerung abgesichert. Dennoch gilt die Devise: Lesen Sie im klein Gedruckten und in den Verträgen nach, was vereinbart ist. Nicht selten findet sich eine Hintertür, die es gleichwohl erlauben würde, dass letztlich der Endkunde zahlen muss.
Wie ist es mit Malern, Bodenlegern, Fassadenbauern, Baumeistern, Spenglern, Küchenbauern etc.? Es kommt sehr auf die Arbeitsgattung an. Die Löhne der Handwerker sind wegen der globalen Konjunktur jedenfalls nicht gestiegen. Es sind also eher die starke Auslastung und vor allem die Lücken bei den Materiallieferungen, die uns Probleme bescheren. Beispiel Fassadenbau oder Dachsanierung: Bei diesen Arbeiten ist der Materialanteil an den Gesamtkosten relativ hoch – oft 50 Prozent oder noch mehr. Hier müssen sich Bauherrschaften und private Wohnungseigentümer darauf einstellen, dass die Baupreise aufschlagen.
Nicht alle Kostenpositionen betroffen
Nehmen wir noch das Beispiel eines Einfamilienhauses, das eine Privatperson bauen lässt. Müssen die Auftraggeber jetzt befürchten, eine gesalzene Schlussrechnung präsentiert zu bekommen? Baumaterialien machen natürlich nur einen Teil der gesamten Kosten aus. Denn das Bauland, die Planung, Unterkellerung, Ausbauarbeiten, Arbeitsleistung der Handwerker etc. machen ebenfalls einen wesentlichen Teil im Gesamtbudget aus. Die aktuell beobachtete Bauteuerung wird in der Schlussabrechnung nur auf einem Teil der Budgetposten sichtbar sein. In welchem Umfang dies der Auftraggeber schultern muss, hängt von den Bestimmungen im Kauf- oder Werkvertrag ab.
Tipps für die Praxis:
Pauschalpreise:
Lassen Sie sich immer zusichern, dass Preise zum Pauschalpreis garantiert sind. Seien Sie vorsichtig, wenn die Frage der Teuerung, von allfälligen Mehrkosten etc. nicht klar geregelt ist. Wenn alles einzeln nach Mengen, Aufwand und Materialeinkauf verrechnet wird, könnte es für Sie teurer werden als geplant.
Material und Baustoffe:
Erkundigen Sie sich bei den Verhandlungen, ob der Handwerker und Baupartner alle Materialien vorrätig hat, oder ob es Schwierigkeiten und Verzögerungen geben könnte. Lassen Sie sich Termine schriftlich zusichern.
Offerten vergleichen:
Holen Sie immer mehrere Offerten ein und vergleichen Sie. Achten Sie bei der Vergabe der Aufträge auf den Leistungsausweis, auf Referenzen und eine möglichst klare Umschreibung des Auftrags. Heikel sind allzu knappe und vage Abmachungen. Wenn zum Beispiel Materialkosten nicht ausdrücklich inklusiv sind, könnte es teuer werden. Dann schlägt die Bauteuerung am Ende 1:1 beim Bauherrn durch.
Reserven:
Vor allem bei grösseren und anspruchsvollen Projekten gilt: Planen Sie für sich selbst und gegenüber der finanzierenden Bank ein gewisses Reservepolster ein. Denn wenn Ihr Budget schon bei geringfügigen Mehrkosten aus dem Lot gerät, riskieren Sie weitere Schwierigkeiten. Die Banken werden Ihr Dossier streng prüfen und sind nicht ohne weiteres bereit, den Kredit aufzustocken.
Was tun, wenn die Baumaterialien teurer werden?
Die öffentlichen Bauherrschaften der Schweiz, d. h. Bund, Gemeinden und Kantone, haben dazu eine Empfehlung herausgegeben.
Wir wollten an unserem Haus gerade einige Klempnerarbeiten machen lassen. Es sind auch Storen zu flicken etc. Finden wir jetzt gar keine Handwerker?? Oder wird es einfach teurer?
Guten Tag Herr Reusser
Die Knappheit an Material und Ersatzteilen ist offenbar sehr generell. Fast alle Handwerksgattungen und Hausteile sind davon betroffen. Das gilt auch für Haushaltgeräte oder Storenbauer. Am besten erkundigen Sie sich im Voraus, ob die gewünschten Arbeiten rasch ausgeführt werden können oder nicht.
Die Arbeitsleistungen und Verfügbarkeit von Personal sind davon nicht betroffen.
Vielen Dank für die Tipps. Wie ist es mit Schreinern? Können die überhaupt Arbeiten ausführen, wird es wieder besser?
Schreiner, Zimmereibeitriebe etc. sind grundsätzlich verfügbar, im 1. und 2. Quartal war einfach der Baustoff Holz sehr knapp. Laut der Brancheorganisation Lignum könnten die Probleme noch mindestens bis im Herbst andauern. Es ist also etwas Glückssache: Der eine Schreiner hat vielleicht Material vorrätig, der andere nicht.