Schon jetzt lebt mehr als die Hälfte der Menschen in Agglomerationen und grossen Städten. Der Begriff Smart City fasst alle Ideen und Konzepte zusammen, damit die Stadt der Zukunft effizient, ressourcenschonend und lebenswerter wird. 

Auf dem Bild sieht man einen Mann mit Smartphone in der Hand und im Hintergrund steht ein Grosser Baum.
canva.com

Beim Stichwort Stadt denken viele Menschen an den schier endlosen Stau zur Rush Hour. Der Begriff weckt Assoziationen an überfüllte Verkehrswege, an schlechte Luft und Lärm. Tatsache ist auch, dass der Raum für Mensch und Natur im urbanen Umfeld immer knapper wird. Den grössten Teil der öffentlichen Flächen belegen Strassen und Infrastruktur. So gab es immer wieder Phasen, als viele Menschen aus den Städten weggezogen. Keine Lebensqualität, zu wenig Grün- und Erholungsräume, keine Spielplätze für Kinder – das waren häufige Argumente. 

Vision: Die nachhaltige Stadt 

Die Idee der Smart City stellt sich dieser Herausforderung. Wie müssen die Quartiere und die Mobilität gestaltet werden, damit die Städte attraktiv und nachhaltig sind? Dank Einsatz moderner Technologie und verschiedenster Innovationen sollen die Städte wieder zum Sehnsuchtsort werden – wo sich die Menschen wohlfühlen. 

In Städten wie Barcelona oder Singapur nutzen die Behörden schon seit Jahren das Potenzial der Digitalisierung. Digitale Sensoren messen das Verkehrsaufkommen, Bewegungsmuster von Pendlern, Lärm und Luftqualität, Energieverbrauch  – und all dies in Echtzeit. Je nach Situation werden die Leitstellen den Verkehr umleiten. Teil der Smart Cities sind dann natürlich intelligente Apps, die ebenfalls in Echtzeit die Verkehrslage und verfügbare Parkplätze aufzeigen. Nach dem Motto: «Ein Blick aufs Handy und ich weiss, wie ich am besten von A nach B komme.» 

Zu den oft genannten Smart-City-Konzepten zählt neben der Mobilität auch die intelligente Steuerung der öffentlichen Beleuchtung: Wenn mitten in der Nacht gar keine Autos fahren, lassen sich die öffentlichen Strassenlaternen dimmen oder ausschalten – was eine Menge Strom spart.   

Die sechs wichtigsten Themen 

Die Vision der Smart Cities dreht sich  meist um folgende Themen für eine nachhaltige Entwicklung: 

Das längerfristige Ziel lautet, sowohl Gebäude, die ganze städtische Infrastruktur und den Verkehr möglichst klimafreundlich und ressourcenschonend zu betreiben. Die Stadt Zürich rüstet zum Beispiel viele Quartiere auf einen intelligenten Energieverbund um. Die lokal verfügbare Wärme, etwa von Kehrichtverbrennungsanlagen oder aus Kläranlagen, wird besser genutzt und versorgt ganze Quartiere. Auch in Genf gibt es ein Projekt für einen modernen Energieverbund aus erneuerbarer Energie. Dabei geht es oft auch um eine dezentrale Erzeugung von Energie und die bessere Vernetzung in Quartieren. Ein Beispiel für eine intelligente Lösung: Bei einem Eisstadion oder einem grossen Kühllager entsteht viel Abwärme. Die ohnehin verfügbare Energie heizt dann Wohnhäuser in der Nähe. 

Verstopfte Strassen und überfüllte S-Bahn-Züge stellen in vielen Städten eine grosse Herausforderung dar – Stau und Verspätungen kosten Zeit und Geld. Dank smarter Technologie und effizienteren Transportmitteln lässt sich vieles verbessern. Im Idealfall haben die Bürgerinnen und Bürger die Möglichkeit, direkt auf ihrem Smartphone das in dem Moment gerade optimale Verkehrsmittel zu nutzen. Online und vernetzt sind natürlich nicht nur die Fahrpläne. In den Smart Cities wird es noch viel mehr Möglichkeiten geben, etwa mit Sharing-Konzepten und der besseren Auslastung der verfügbaren Kapazitäten. Noch mehr Potenzial verheissen automatisch und selbstfahrende Fahrzeuge. Die Digitalisierung wird es möglich machen, mit dem gleichen Verkehrsnetz wesentlich mehr Menschen zu transportieren. E-Fahrzeuge reduzieren schädliche Abgase und werden in Zukunft vernetzt fahren.  

Die Behörden schaffen neue Plattformen und nutzen die Möglichkeiten der Digitalisierung. Sämtliche Kontakte mit Behörden und Ämtern werden vereinfacht. Ob die Anmeldung beim Einwohneramt oder andere Dokumente – die Digitalisierung macht das Leben einfacher, transparenter und bürgernah. In den Smart Cities werden zugleich Partizipation und Mitwirkung zu einem zentralen Anliegen. Die Menschen und die bestmögliche Lebensqualität sind im Fokus. 

Alle Menschen haben den Wunsch, gemeinschaftlich und in einer attraktiven Stadtumgebung wohnen und leben zu können. In einer Smart City werden die wesentlichen Prinzipien umgesetzt: In den Quartieren lebt es sich gesund, sicher und barrierefrei. Die Quartiere und Wohnsiedlungen schliessen alle Menschen ein unabhängig von ihrem Alter, ihrem Geschlecht, ihrem Beruf oder ihrer Herkunft. Die Smart City beruht auf guter Nachbarschaft, Begegnung und sozialem Austausch. 

Smart Cities tun mehr für die Aus- und Weiterbildung als bisher. Sie kümmern sich um den sozialen und partizipativen Einbezug der ganzen Bevölkerung. Bildung und Wissen sind die Basis, dass sich Menschen qualifizieren und sich entfalten können. Bildung trägt dazu bei, am öffentlichen Leben teilnehmen zu können. Offenheit gegenüber Kreativität und Innovation sowie lebenslanges Lernen sind zentrale Werte in der Smart City.

Die Digitalisierung, die Vernetzung in Stadtquartieren und der gesellschaftliche Wandel ermöglichen völlig neue Modelle der Arbeitswelt. Intelligente Städte schaffen gute Rahmenbedingungen, damit möglichst viele Menschen die für sie passende Work-Life-Balance finden. In der Smart City setzen die Behörden, die Unternehmen und die Bürgerinnen und Bürger gemeinsam ein offenes und innovatives Wirtschaftssystem um. Dies beruht auf Idealen wie Ökologie, Kreislaufwirtschaft, lokale Produktion und Kooperation. Smart Cities unterstützen Start-ups und fördern das lokale Gewerbe – anstatt Produkte auf Containerschiffen um die halbe Welt zu transportieren. 

Beispiel St. Gallen 

Inzwischen haben unzählige Gemeinden und Städte wie Bern, Zürich, Basel und St. Gallen verschiedenste Smart-City-Initiativen gestartet. Besonders gute Voraussetzungen hat dabei St. Gallen, wo bereits 99,5 Prozent der Haushalte mit modernen Glasfaserkabeln ausgerüstet sind. Die Liste der St. Galler Projekte ist lang und vielfältig (Partizipation, Veloverleih, Mobilität allgemein, nachhaltige Siedlungen, Solarcommunity, Wissensvermittlung rund um Digitalisierung etc.). 

Christian Geiger, Chief Digital Officer bei der Stadt St. Gallen, fasst einige wesentliche Ziele der Smart City in der Schweiz zusammen: Im Kern gehe es darum, «die Lebensqualität für die Bevölkerung und die Standortqualität für Unternehmen zu erhöhen». Das heisst konkret: «Zeit sparen, weniger im Stau stehen, weniger Behördengänge machen, im Alter länger zu Hause leben und ein sicherer öffentlicher Raum». Auf Seiten der Behörden geht es auch darum, sich die Digitalisierung zunutze zu machen. Sie kann zum Beispiel entscheidend dazu beigetragen, die verfügbaren Ressourcen besser zu nutzen, d. h. weniger Wasser und weniger Strom zu verbrauchen. In einem ganz unterschiedlichen Kontext schafft die Technologie neue Möglichkeiten: Dank digitaler Sensoren und Zähler kann sich jeder Bürger laufend vergegenwärtigen, wie hoch sein aktueller Strom- oder Wasserverbrauch liegt (Smart Home).  

Der Mensch bleibt Massstab 

In Smart Cities in Asien ist es schon heute gang und gäbe, dass über Sensoren und Kameras sehr umfassend Daten über das Verhalten der Bürger gesammelt werden. In Europa und in der Schweiz schüren die neuen technischen Möglichkeiten der Datensammlung schon mal Ängste vor einer Überwachungsgesellschaft wie in George Orwells Roman «1984». Doch auch bei uns ist klar, dass Daten zur besseren Vernetzung und Planung in Städten hilfreich sein können.  

Mit all den Technologien und intelligenten Systemen ist die Herausforderung verbunden, die Smart Cities nicht an den Menschen vorbei zu planen. Alex Willener, Dozent an der Hochschule Luzern, sagt dazu: «Die Stadtplaner müssen die Zivilgesellschaft miteinbeziehen.» Denn Technologie und Digitalisierung allein machen die Stadt weder lebenswert noch menschengerecht: «Städte sind nicht denkbar ohne Menschen, ohne gesellschaftliche Vielfalt, ohne den bunten Mix von Bewohnern und Besuchern jeden Alters und jeglicher Herkunft». Klar ist, dass das Smart-City-Konzept praktisch auf der ganzen Welt als das neue Stadtideal betrachtet wird.  

Anders planen 

Damit leiten sich Schlussfolgerungen für die Politik und die Stadtentwicklung ab: In der Smart City ist es nicht im herkömmlichen Verständnis von Planung das Ziel, dass Behörden die Zonenordnungen und die Grundlagen festlegen (Top-down). In einem zweiten Schritt setzen dann üblicherweise Investoren und Grundeigentümer die planerischen Grundlagen um. Richtig zu Ende gedacht würde in der Smart City eine andere Politik passen: nämlich Bottom-up. Bei der Stadt- und Quartierentwicklung sind die Menschen einbezogen. Sie werden nicht bloss angehört, wenn es irgendwo um fünf Meter Veloweg geht. In einigen Smart Cities in Spanien haben die Bürgerinnen und Bürger z. Bsp. mehr Möglichkeiten bei städtischen Budgets oder bei neuen Gesetzen mitzuwirken.   

Fazit: Es geht auch darum, gesellschaftliche Initiativen breit anzuerkennen und lokale Ressourcen optimal zu nutzen. 

Smart werden als Herausforderung – Leitfaden für die Praxis: 

Zu den vielen Smart-City-Initiativen in der Schweiz gehört eine grosse Fülle an Forschung und Projektstudien. Besonders breit abgestützt ist der Leitfaden, den die Zürcher ZHAW im Auftrag von EnergieSchweiz erarbeitet hat: https://www.zhaw.ch/de/engineering/institute-zentren/ine/smart-city-leitfaden/

Lesen Sie dazu auch unseren Artikel: