Wir informieren Sie zu den wichtigsten Brennpunkten seitens der Verbände der Immobilienwirtschaft (SVIT) und Hauseigentümerverband (HEV) Zürich, der Real Estate Managementfirmen und Immobilienverwaltungen wie Ginesta Immobilien und Livit AG sowie dem Forschungsunternehmen Fahrländer Partner Raumentwicklung.

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Entwicklungen des Schweizer Immobilienmarktes 2020 – Vorhersagen eingetroffen?

Die Corona-Krise hat definitiv ihre Spuren hinterlassen. Der Immobilienmarkt in der Schweiz erwies sich dabei als relativ krisenresistent. Die Interaktion zwischen Wirtschaftswachstum, Zinsen, regulatorischem Umfeld und dem Immobilienmarkt zeigt auf, dass der Schweizer Immobilienmarkt die Corona bedingte Rezession 2020 im internationalen Vergleich insgesamt gut überstanden hat. Gründe dafür sind gemäss FPRE-Immobilien-Almanach Schweiz 2021 die fiskalpolitischen Massnahmen zur Abfederung der wirtschaftlichen Folgen der Pandemie. Stefan Fahrländer, Partner & VRP von FPRE sieht die ursprünglichen Erwartungen an 2020 als bestätigt an, d.h. stabile Immobilienpreise bis hin zu einem Preisanstieg im Wohneigentum und bei Mehrfamilienhäusern sowie eine Verstärkung der Probleme bei Geschäftsimmobilien und präzisiert:

Die Wohneigentumsmärkte haben sich generell gut entwickelt, insbesondere auch die Zweitwohnungsmärkte.

Stefan Fahrländer, Partner & VRP Fahrländer Partner Raumentwicklung (FPRE)

„In den zentralen Grossregionen besteht weiterhin Wohnungsknappheit und die reduzierte Rückwanderung von Ausländern bzw. Auswanderung von Schweizern – was wohl Corona bedingt ist – hat nicht zu einer Entspannung bei der Nachfrage geführt. Die Nettoimmigration ist in den ersten drei Quartalen 2020, gemessen an der ständigen Wohnbevölkerung, grösser als im Jahr 2019“, so Stefan Fahrländer weiter. Laut Andreas Ingold, CEO Livit AG und Präsident SVIT Schweiz, zeigte sich die Situation ähnlich. Das Wohnsegment erholte sich von der Corona-Krise nach einem kurzfristigen Nachfrageeinbruch im März und konnte sich ab April 2020 wieder kontinuierlich steigern; bis im Herbst 2020 sogar über Niveau von März 2020. Ingold gesteht: „Es kam vermehrt zu einer Binnenwanderung. Mit dieser Entwicklung hatten wir zu Beginn von Corona nicht gerechnet“. Trotz eines wirtschaftlich schwierigen Jahres sehen auch Albert Leiser, HEV Zürich und Dieter Beeler, Präsident SVIT Zürich, den Immobilienmarkt als recht robust und krisenresistent an.

Entwicklung Immobilienmarkt Schweiz

Immobilienmarkt Gewinner und  Verlierer in 2020

Welche Bereiche des Immobilienmarktes konnten in 2020 trotz schwierigsten Umständen punkten? „Entgegen unseren Befürchtungen ist die Nachfrage nach grösserem Wohnraum, Wohneigentum sowie Einfamilienhäusern im vergangenen Jahr deutlich gestiegen. Auch Ferienregionen in den Bergen und gut erschlossene ländliche Gemeinden gehören zu den Gewinnern“, so Beeler vom SVIT. Dem schliesst sich Leiser vom HEV ZÜRICH an, der ebenfalls eine verstärkte Nachfrage nach Mehrfamilienhäusern und selbstbewohntem Eigentum feststellen konnte. Zudem bemerkt auch er, dass Wohnen auf dem Land wieder etwas attraktiver wurde und die Wohnqualität, sprich Balkon/Garten, Anzahl und Grösse Zimmer, wieder an Bedeutung gewonnen habe. Für Claude Ginesta, CEO Ginesta Immobilien, gehören die Ballungszentren in der Deutschschweiz, insbesondere Zürich zu den Gewinnern, während das Tessin sich als einzige Region – bis auf die Zweitwohnungen – rückläufig zeigte. „Wir waren anfangs der Pandemie der Meinung, dass sich der Markt nicht bewegen würde, was nicht zutraf.“, sagt Ginesta.

Der Immobilienmarkt zeigte sich seit März sehr dynamisch und hat vor allem bei den Eigenheimen zu einer deutlich höheren Nachfrage bei Erst- wie Zweitwohnungen geführt.

Claude Ginesta, CEO Ginesta Immobilien AG

Hingegen gehören die Gewerbeliegenschaften gemäss der Expertenrunde (SVIT, HEV Zürich, FPRE und Ginesta Immobilien) zu den grossen Verlierern. Hier seien alle Marktteilnehmenden vor grosse Herausforderungen gestellt. Ingold z.B. setzt auf individuelle Lösungen: „Mit zahlreichen Mietern und Eigentümern konnten Lösungen vereinbart werden. Der Ausblick ist zwar wesentlich schwieriger und die Betroffenheit der Mieter stark regional unterschiedlich sowie von der Branche abhängig. In diesem Umfeld bewähren sich weiterhin die individuellen Lösungen zwischen Vermieter und Mieter, um letzteren bestmöglich unterstützen zu können“.

„Die Krise ist noch nicht ausgestanden; bestenfalls ist mit einer langsamen Rückkehr zur Normalität zu rechnen. Insofern werden die Zinsen weiterhin tief bleiben und die Nachfrage stützen“, meint Fahrländer. Der Mietwohnungsmarkt wird sich gemäss ihm in 2021 stabilisieren, jedoch mit regionalen Leerständen abseits der Zentren. Ingold hingegen geht bei weiterhin reger Neubautätigkeit und abnehmendem Bevölkerungswachstum von steigenden Leerständen und somit steigendem Druck auf die Mieten aus. Beeler sieht eine Seitwärtsbewegung der Mietpreise vorher. Interessant werde hier sein, wie sich die Nachfrage bei den Mietwohnungen weiterentwickle, ob diese nach grösserem Wohnraum und der Trend zu naturnahen Standorten längerfristig bestehen bleibe. Leiser rechnet seitens HEV ZÜRICH mit stabilen bis leicht steigengen Preisen. Zur Preisentwicklung in 2021 meint Ingold:

Die Mietzinse dürften sich kurzfristig seitwärts mit Tendenz zu Preissenkungen bewegen.

Andreas Ingold, Vorsitzender der Geschäftsleitung, Livit AG Real Estate Management / Präsident SVIT Schweiz

„Dies aufgrund des noch nachhaltig grossen Angebots im Zusammenhang mit der anhaltend reger Bautätigkeit. Preiserhöhungen werden sich dort ergeben, wo Bestandsliegenschaften saniert und das Wohnangebot entsprechend qualitativ aufgewertet wird“.

Ginesta steht der Entwicklung des Immobilienmarktes in 2021 generell mit Skepsis gegenüber: „Die Inflation auf den Immobilien- und Aktienmärkten geht nicht mit der Entwicklung der Löhne und der Einkommen einher. Das ist gefährlich und kann zu sozialem Unfrieden führen. Zudem sind gewisse Branchen stark unter Druck, was langfristig Einfluss auf die gesamte Konjunktur haben kann. Sollten die Kurse an den Aktienmärkten stark sinken, hätte das Einfluss auf den Immobilienmarkt. Solange jedoch die Börsen weiterhin steigen und viel Geld in die Kapitalmärkte gepumpt wird, kann dies zu weiterer Preissteigerung bei Sachwerten wie Gold oder Immobilien führen“. Ingold sieht durch das tiefe Zinsumfeld, verbunden mit dem volatilen Aktienumfeld, dass die Immobilie nach wie vor ein stabiler, sicherer Anlagewert bleibe; eine Immobilienblase gäbe es nach wie vor nicht. „Das Interesse“, so Ingold weiter, „von institutionellen aber auch privaten Anlegern an Investments in Wohnimmobilien hält demzufolge weiterhin an“.

Gewerbeimmobilien in 2021 in schwierigem Marktumfeld

Bei den Gewerbeobjekten stelle sich laut Ingold angesichts der unsicheren Konjunkturaussichten die Frage nach der Sicherheit der Cashflows, so dass Anleger hier vermutlich eher zurückhaltender agieren und allgemein mit einem schwierigeren Marktumfeld zu rechnen sei. Durch die anhaltende Corona-Thematik seien Geschäftsflächen risikobehaftet. Anzunehmen ist, dass Betriebskonkurse und Beschäftigungsrückgänge auch Auswirkungen auf den Flächenbedarf haben werden. Viele Unternehmen werden inskünftig weniger Büroflächen benötigen und den diesbezüglichen Verbrauch pro Mitarbeitenden optimieren. Tendenziell gehe er davon aus, dass mit sinkenden Wohnungs-, Büro- und Verkaufsflächenmieten zu rechnen ist. Diese prognostizierte Entwicklung habe auch zur Folge, dass die Renditen zunehmend unter Druck geraten.

Immobilienmakler müssen sich 2021 gut positionieren

Wie wirkt sich dies alles auf die Situation der Immobilienmakler aus? Dass Digitalisierung, Transparenz und Vergleichbarkeit noch mehr Einzug halten werden, sind sich alle einig. Beeler meint, dass die technologische Entwicklung tatsächlich den Transaktionsmarkt unter Druck setze, was insbesondere bei den gewöhnlichen Wohnobjekten, im Gegensatz zu exklusiven Immobilien, zu einer Verschärfung der Konkurrenzsituation führen dürfte.

Gut positionierte Makler mit einem grossen und engen Beziehungsnetz, hoher Qualitäts- und Dienstleistungsmentalität oder spezifischem Angebot würden hingegen weniger betroffen sein.

Dieter Beeler, Präsident SVIT Zürich

Auch Ginesta argumentiert in diese Richtung: „Der Schweizer Immobilienmarkt  wird sich umkämpfter gestalten, aber dafür auch professionalisiert zeigen. Insbesondere für Makler ohne Ausbildung oder unzureichendem digitalem Know-how wird es in Zukunft schwerer“, gibt Ginesta abschliessend zu bedenken.

Hypotheken in 2021, bereits hohes Level

„Die Vorgaben der FINMA für die Kreditvergabe bei Hypotheken sind bereits heute hoch angesetzt. Es ist nicht mehr so einfach möglich eine Hypothek zu erhalten, wobei insbesondere die 5%-Klausel sich häufig als (zu) hohe Hürde erweist. Von einer weiteren Verschärfung ist im Moment nicht auszugehen“, so Beeler vom SVIT Zürich. Ginesta setzt bezüglich Hypothekenanforderungen seine Bedenken in einen etwas grösseren Rahmen: “Die Schweizerische Nationalbank (SNB) hat immer gewarnt, dass sie bei einer weiteren Preissteigerung im Immobilienmarkt zusätzliche Massnahmen ergreifen könnte. Allerdings muss man auch feststellen, dass die SNB inzwischen selbst ein grosses Risiko ist. Die SNB druckt viel Geld und pumpt dieses u.a. in amerikanische Tech-Aktien. Natürlich hat sie dadurch von der Kursentwicklung stark profitiert, doch es fragt sich, wie sie den Weg zurück macht und wie sie in Zukunft eine Inflation verhindern wird“.