Eine sinkende Wohneigentumsquote, immer mehr Vorschriften und mehr Baubürokratie: Walter Locher, Präsident des HEV Kanton St. Gallen, setzt sich für einen besseren Zugang zum Wohneigentum ein. Er war viele Jahre Politiker in der Ostschweiz und ist ein sehr erfahrener Anwalt.* Im Interview spricht er über die Herausforderungen beim Eigenheimkauf in der Schweiz. In der Ostschweiz sei der Traum vom Eigenheim eher noch realistisch.

Walter Locher, Präsident des HEV Kanton St. Gallen
Walter Locher, Präsident des HEV Kanton St. Gallen: „Das private Wohneigentum muss auch weiterhin eine Zukunft haben.“

Die Wohneigentumsquote in der Schweiz ist rückläufig. Zugleich zeigen die neuesten Zahlen, dass immer weniger Privatpersonen in Mehrfamilienhäuser investieren. Was läuft hier schief?

Walter Locher: Tatsächlich sinkt die Wohneigentumsquote in der Schweiz. Das hat nicht nur mit der steigenden Wohnbevölkerung zu tun, sondern auch mit dem rückläufigen Angebot, vor allem in Zentrumsregionen der Schweiz. Zudem können viele, auch jüngere Personen, die von den Banken für eine Finanzierung geforderten 20 oder mehr Prozent Eigenkapital nicht aufbringen oder scheitern an den Tragbarkeitsregeln der Banken für eine Hypothek. Die Regel, wonach monatlich die diesbezüglich anfallenden Kosten einen Drittel des Bruttoeinkommens nicht übersteigen dürfen, ist gerade in Zentrumsgemeinden nicht eingehalten.

Die Schweiz braucht mehr Wohnungen. Rechnen Sie damit, dass die Bautätigkeit wieder zulegt?

Die Wohnbautätigkeit bei Mietwohnungen nimmt zwar immer noch zu, aber die Zahl neugebauter Eigentumswohnungen und Einfamilienhäuser scheitert oftmals an verfügbaren Landreserven und den erwähnten Finanzierungsproblemen.

Sind die Rahmenbedingungen für Wohneigentum günstig?

Kostentreibend im Wohnungsbau sind vor allem die Landpreise. Diese sind in Zentrumslagen in den letzten Jahren massiv gestiegen. Wer in Genf, Lausanne, Bern, Basel oder Zürich Eigentum erwerben will, muss ein entsprechend hohes Einkommen oder entsprechende Eigenmittel haben. Erfreulich ist immerhin, dass in den Agglomerationen Land immer noch eher erschwinglich ist.

Immobilien und jede Bautätigkeit sind zunehmend reguliert. Ich denke da nur an die vielen Vorgaben in der Raumplanung, beim Umweltschutz oder bei der Umrüstung der Energiesysteme. Was hat dies für Folgen, insbesondere auch was die Kosten betrifft?

Tatsächlich führen die zunehmenden Regulierungen dazu, dass weniger gebaut wird. Die Hürden für Verdichtung und Umnutzung sind sehr gross, ebenso werden die Planungs- und Baubewilligungsverfahren immer komplexer, aufwändiger und langwieriger. Das ist nicht nur die Schuld der Juristen, sondern auch der Gesellschaft, welche in immer mehr Bereichen immer mehr Ansprüche an die Gesetzgebung stellt. Hinzukommen zum Teil missbräuchliche Einsprachen im Baubewilligungsverfahren, rigide Lärmschutzmassnahmen, obwohl moderne Gebäude Lärmemissionen praktisch stark reduzieren können.

In fast allen Teilen der Schweiz darf kein Bauland mehr neu eingezont werden. Ist dies die Ursache dafür, dass der Preis für Wohnbauland dermassen stark ansteigt?

Das Schweizer Volk hat 2014 eine Verschärfung des Raumplanungsgesetzes beschlossen. Grundsätzlich wurde damit der Innenverdichtung der Vorrang von Neueinzonungen gegeben, die nur noch die Ausnahmen sein dürfen. Zahlreiche Agglomerationsgemeinden müssen zu grosse Baulandflächen reduzieren. Gleichzeitig steigt der Widerstand, die als wünschbar bezeichnete Innenverdichtung tatsächlich auch umzusetzen. Das führt automatisch zu einer Verknappung des Angebotes an bebaubaren Flächen, womit die Landpreise ansteigen.

Haben wir ausgerechnet dort zu wenig Baulandreserven, wo die Nachfrage nach Wohnungen besonders gross ist?

Im Bereich der Reduktion der Baulandflächen herrscht – zumindest im Kanton St. Gallen – eine sehr starke Richtplangläubigkeit. Die schweizerische Wohnbevölkerung wächst jedes Jahr markant, 2023 stieg sie um 147’000 Personen, fast doppelt so stark wie im Vorjahr. Die Richtpläne, die die realistischen Bevölkerungsszenarien abbilden sollten, tragen diesen Entwicklungen oft zu wenig Rechnung.

Was braucht es, damit Wohneigentum attraktiv ist?

Um Wohneigentum wieder stärker realisieren zu können, muss einerseits eine Beschleunigung der Baubewilligungs-, Einsprache- und Gerichtsverfahren erfolgen, andererseits müssen die Vorschriften über die Innenverdichtung konsequent umgesetzt und die Lärmschutzverordnung revidiert werden. Es braucht auch Lockerungen beim Denkmal- und Heimatschutz. Die demnächst zur Abstimmung anstehende Biodiversitätsinitiative enthält auch die Forderung, dass schutzwürdige Ortsbilder, aber auch das baukulturelle Erbe ausserhalb der Schutzobjekte noch stärker geschont werden sollten. Darüber spricht derzeit niemand. Eine solche rigide Vorschrift unter dem Titel «Biodiversität» führt dazu, dass das Bauen nochmal erschwert würde.

Wie schätzen Sie die Situation in der Ostschweiz ein: Gibt es hier noch zahlbare Eigenheime an guten Lagen? Gibt es noch ausreichend Landreserven?

Gegenüber der übrigen Schweiz ist der Traum vom Eigentum in der Ostschweiz an zahlreichen Orten sicherlich noch eher realisierbar. Aber auch hier sinkt die Zahl ausreichender Landreserven und steigen die Preise für Wohneigentum, vor allem an jenen Orten, die aus den Ballungszentren dank guter Verkehrserschliessung über Schiene und Strasse rasch erreichbar sind.

Wie sieht das private Wohneigentum in Zukunft aus: Das Einfamilienhaus ist zum Beispiel schon oft totgesagt worden. Geht es überall in Richtung höhere Gebäude und mehr bauliche Dichte?

Das private Wohneigentum muss auch weiterhin eine Zukunft haben. Das wird mit einer konsequenten Beschleunigung der erforderlichen Baubewilligungsverfahren, einer Flexibilisierung der Finanzierung (Änderungen der Tragbarkeitsregeln), allenfalls der Möglichkeit der Erleichterung beim Bezug von BVG-Geldern und der Anrechnung als Eigenkapital etc. erreicht. Eine Möglichkeit, in den Zentren höher zu bauen oder baulich zu verdichten, ist durch eine Flexibilisierung der Bauvorschriften sicherlich im Sinne der Förderung des Wohneigentumes. Sie darf aber dann nicht gleich wieder durch strengere Ortsbildvorschriften, die Belastung durch hohe Grünflächenanteile (selbst in städtischen Gebieten) oder denkmalpflegerische und ortsbildliche Auflagen erschwert werden.

Viele Private sind bei der ganzen Problematik rund um Steuern, Baurecht, Vorschriften, Baubewilligungen, Rekurse usw. überfordert. Was sehen Sie für Lösungsansätze?

Unser Leben ist nicht nur in Bereichen des Bauens komplexer geworden. Die Problematik, dass Bauen die Kenntnisse der immer dichter werdenden rechtlichen Vorhaben, der steuerlichen Rahmenbedingungen und der finanziellen Vorgaben erfordert, ist eine Tatsache, die nicht vermieden werden kann. Wichtig ist es, dass der Bauwillige sich fachlich gute Hilfe holt. Der Hauseigentümerverband, Architekten und Planer helfen hier gezielt weiter.

Schon allein das Thema Bauen in städtischem Gebiet und Lärmschutz beschert uns auf allen möglichen Stufen Schwierigkeiten. Was gibt es hier für Lösungsmöglichkeiten?

In Bereichen des Lärmschutzes bereitet das Eidgenössische Parlament derzeit Vereinfachungen vor. Wichtig ist auch die Erreichbarkeit, die zum Teil mittels ideologisch begründeter Mobilitätsvorschriften behindert werden soll. Der private Investor, der bauwillige Eigentümer braucht mehr Planungssicherheit. Der Kampf gegen die Wohnraumknappheit braucht vereinte Anstrengungen auf Bundesebene, auf Kantonsebene und auf Gemeindeebene.

Wie entwickeln sich die Eigenmietwerte?

Der Eigenmietwert ist seit Jahrzehnten ein Ärgernis. Die Eidgenössischen Räte beugen sich derzeit ein weiteres Mal über die Vorlage. Derzeit wird über den Umfang des privaten Schuldzinsabzugs diskutiert. Zudem soll die Besteuerung des Eigenmietwertes zumindest vorerst nur bei selbstgenutzten Erstwohnungen abgeschafft werden. Eine Realisierungschance hat die Abschaffung nur, wenn sie möglichst einfach ist. In Zeiten der Finanzknappheit des Bundes muss eine Lösung mit Augenmass im Vordergrund stehen. In der Herbstsession des Parlaments soll entschieden werden.

Wer Wohneigentümer ist, profitierte in den letzten Jahren von den Freiheiten eines Eigentümers und meist auch von einer gewissen Wertsteigerung, die über die Inflation hinausgeht. Können wir auch in Zukunft damit rechnen?

Die Versuchungen, Eigentümer und Wohneigentümer mit immer mehr Vorschriften – auch im Mietrecht – einzuschränken, sind gross. Wir werden über geringfügige Korrekturen im Mietrecht, gegen die der Mietverband Referenden eingereicht hat, im November abstimmen. Dabei geht es um die Verhinderung von Missbräuchen bei der Untermiete und die Möglichkeit, unter gewissen Voraussetzungen Eigenbedarf leichter geltend zu machen. Faire Regeln im Mietrecht sind die Voraussetzung dafür, dass das Eigentum in Zukunft attraktiv bleibt.

Ist weiter mit Wertsteigerungen zu rechnen?

Solange das Angebot an verfügbarem Wohnraum immer knapper wird, wird auch eine gewisse Wertsteigerung die Folge sein. Indessen ist dafür zu sorgen, dass die Versuche, auch den Wohnraum immer mehr zu verstaatlichen, erfolgreich bekämpft werden können.

*) Interviewpartner:

Dr. iur. Walter Locher ist Rechtsanwalt und Präsident des HEV des Kantons St. Gallens. Er war mehr als 20 Jahre lang Kantonsrat für die FDP.

Website Verband: https://www.hev-sg.ch/verband/hev-kanton-stgallen/geschaeftsleitung