Der Wohnungsneubau ist stark rückläufig. Für viele Haushalte und Familien wird es immer schwieriger, innerhalb nützlicher Frist eine passende und auch zahlbare Wohnung zu finden. Das Thema Wohnen oder gar die Gefahr einer neuen Wohnungsnot sind jetzt auch politisch ganz oben auf der Traktandenliste.
- Steigende Mieten
- Runder Tisch: Vorschläge liegen vor
- Steigende Preise auch fürs Eigenheim
- Wohnen: Ein Thema für die ganze Schweiz
- Wohnungsbau ist rückläufig
- Bedarf an Wohnfläche steigt
- Längere Pendlerdistanzen
Wohnungsknappheit und steigende Mieten sind weit oben auf der politischen Traktandenliste. Auf Einladung des Bundesrates trafen sich im Frühling 2023 erstmals der Bund, Städte, Gemeinden und Interessenverbände zu einem Runden Tisch. Das Ziel: Ursachen der Wohnungsknappheit klären und Lösungen erarbeiten. So wurde es schon als Erfolg gewertet, dass alle involvierten Kreise überhaupt diskutiert und Vorschläge unterbreitet haben.
Steigende Mieten – was tun?
Der Handlungsbedarf ist offensichtlich: Die Mieten in den Städten und Agglomerationen steigen Jahr für Jahr um rund fünf bis sechs Prozent – das gilt jedenfalls für diejenigen Wohnungen, die auf dem Markt zugänglich sind und neu vermietet werden. Die Belastung der Haushalte durch Wohnkosten nimmt tendenziell zu. Doch eine Entspannung ist im Moment nicht in Sicht: Sowohl 2022 als auch 2023 verzeichnete die Schweiz eine starke Zunahme der ständigen Wohnbevölkerung.
Der Wohnungsbau ist aber rückläufig, was die Probleme verschärft. Bezeichnend ist die Tatsache, dass letztes Jahr rund 46’000 neue Wohneinheiten projektiert wurden, aber insgesamt nur rund 35’000 Neubauwohnungen bewilligt wurden. Das hat zum Teil mit langen Bewilligungsverfahren, Baurekursen, aber auch mit Schwierigkeiten von Projektentwicklungen und Verdichtungen in den Zentren zu tun.
Runder Tisch: Vorschläge liegen vor
Im Februar 2024 kam der Runde Tisch ein zweites Mal zusammen. Immerhin liegen nun erste Resultate vor. Der Bund, Kantone, Gemeinden und Verbände haben einen Aktionsplan verabschiedet. Dieser sieht unter anderem folgende Massnahmen vor:
- Innenentwicklung erleichtern und qualitätsvoll umsetzen: Hierzu gehören Massnahmen, die die Durchmischung von Arbeits- und Wohnzonen erleichtern. Zudem wird geprüft, ob vermehrt in die Höhe gebaut werden kann und bisherige Vorgaben zu Grenzabständen angepasst werden können.
- Verfahren beschleunigen: Ein Leitfaden soll die korrekte und transparente Durchführung der Interessenabwägung in Bewilligungsprojekten erleichtern. Weitere Massnahmen zielen darauf ab, offensichtlich missbräuchliche Einsprachen bei Bauprojekten zu reduzieren.
- Genügend preisgünstigen und bedarfsgerechten Wohnraum sicherstellen: Die Förderung des gemeinnützigen Wohnungsbaus soll gezielt verbessert werden, etwa durch einen Mindestanteil von preisgünstigem Wohnraum bei einer höheren Ausnützung eines Grundstücks.
Einen gewissen Konsens gibt es darin, dass die Schweiz mehr Wohnungen bauen sollte und es vor allem auch mehr preisgünstigen Wohnraum braucht. Schon seit einiger Zeit finden viele Familien mit Kindern kein passendes und zahlbares Eigenheim. Oft bleiben Bemühungen und Anfragen über Jahre vergeblich. Am Schluss gehen die Wohnungssuchenden leer aus. «Dieses Problem sehen wir jetzt mehr und mehr auch bei Mietwohnungen», erklärt Jörg Schläpfer, Leiter Makroökonomie beim Beratungsunternehmen Wüest Partner. Für die Betroffenen sei dieser Mangel an Wohnungen frustrierend, es sei schlicht mühsam und wirke sehr einschränkend. Erst recht trifft es Personen, die von ausserhalb einer Stadt oder Gemeinde kommen. Denn ohne Beziehungen, ohne ein Quäntchen Glück und Vitamin B wird die Wohnungssuche erst recht zu einem schwierigen Unterfangen. Ein viel zu geringes Angebot und hohe Mieten, etwa in der Stadt Zürich, in Genf oder Zug, verdrängen gewisse Haushalte aus den Städten.
Die Wohnungsknappheit zieht immer weitere Kreise. Der in den letzten Monaten weiter gefallene Leerstand an Wohnungen hat zur Konsequenz, dass auch an sich erwünschte und sinnvolle Wohnungswechsel nicht mehr stattfinden. Ältere Leute, die nach dem Auszug der Kinder in einem zu grossen Haus leben, bleiben an ihrer bisherigen Adresse sitzen. Aus dem einfachen Grund, dass sie auf dem Immobilienmarkt keine vernünftige Alternative zu einem angemessenen Preis finden.
Steigende Preise auch fürs Eigenheim
«So dreht sich die Spirale immer weiter», sagt der Experte von Wüest Partner. Mit dem Resultat, dass immer weniger Haushalte ihre Bedürfnisse und Wünsche abdecken können. Ein anderes Problemfeld der Wohnungsknappheit dreht sich natürlich ums Geld. Die Mieten steigen und steigen, und der Kauf der eigenen vier Wände ist aus finanziellen Gründen oft nicht möglich.
Während in der Tiefzinsphase Eigentumswohnungen und Einfamilienhäuser eher noch erschwinglich waren, steht die Option Eigenheim heute vielen Haushalten nicht offen. Die Hypothekarzinsen sind höher als noch 2020 oder 2021. Kommt dazu, dass die Kaufpreise für Bauland, für Häuser und Eigentumswohnungen in den meisten Regionen stark gestiegen sind.
Das heisst: Zur Wohnungsknappheit gesellt sich auch noch das Problem stetig steigender Kosten. Das hat sozialpolitischen Zündstoff, denn gerade sozial schwächere Personen und Haushalte sind überdurchschnittlich stark davon betroffen. Der Anteil der Wohnkosten am Haushaltbudget wird in vielen Fällen steigen. Lesen Sie dazu auch unseren Artikel Miete: Welche Wohnung kann ich mir leisten?
Ökonomisch betrachtet, stellt die starke Nachfrage natürlich einen Anreiz für die Immobilienwirtschaft und Investoren dar, die Wohnungsproduktion wieder hochzufahren. Doch das ist alles andere als einfach. Inflation und höhere Zinsen machen vielen Projekten einen Strich durch die Rechnung. Kommt dazu, dass Bauland knapp und teuer ist, und die oft zitierte Verdichtung in den Städten nur sehr schleppend vorangeht. Kurz, selbst die meisten Fachleute und Akteure aus der Politik geben noch keine Entwarnung in Sachen Wohnungsmangel. Ob sich das Ganze nun auf eine eigentliche Wohnungsnot zuspitzt, ist derzeit noch offen.
Wohnen: Ein Thema für die ganze Schweiz
Klar ist jedenfalls, dass sich die ganze Schweiz vermehrt mit diesem Problem befasst. Denn sehr eng ist es nicht nur auf den Wohnungsmärkten im Kanton Zürich oder im Kanton Genf, sondern auch in vielen anderen Agglomerationen und Städten. Sogar in Tourismusregionen im Kanton Graubünden oder im Berner Oberland wird der Ruf nach Massnahmen und Förderprogrammen laut. Denn auch dort zeichnet es sich immer mehr ab, dass das Angebot an Wohnungen viel zu knapp ist, um die starke Nachfrage zu decken.
Wohnungsbau ist rückläufig
Doch was sind die tieferen Ursachen der Wohnungsknappheit? – In der Analyse sind sich viele Expertinnen und Experten einig. Wir müssen die Seite des Angebots (Bautätigkeit, Immobilienmarkt) und die Nachfrage auseinanderhalten (Menschen, die eine Wohnung suchen).
Die Wohnbautätigkeit ist deutlich rückläufig, ausgerechnet jetzt, wenn dringend mehr Wohnflächen und mehr Wohngebäude nachgefragt werden! Oft hat es damit zu tun, dass angesichts von Inflation und hohen Zinsen für Kredite das Umfeld schwierig geworden ist. In einem Umfeld mit hohen Zinsen werden Investitionen weniger attraktiv, weil zum Beispiel Pensionskassen mit anderen Anlagen relativ risikolos bessere Ergebnisse erzielen können. Weil die Zinsen steigen und sich das Umfeld ändert, sind viele Unternehmer und Investoren auch verunsichert, was die weitere Wertentwicklung betrifft. Auch dies hat öfters zur Konsequenz, dass Neubauten auf die lange Bank geschoben werden. Aus der Praxis ertönt oft auch der Ruf, dass die Baugesetze und die schier endlosen Bewilligungsverfahren ein ernstes Problem darstellen.
Bedarf an Wohnfläche steigt
Diese schwache Neubautätigkeit trifft auf eine sehr starke Nachfrage nach Wohnungen. Die Schweiz verzeichnete im Jahr 2023 eine Nettozuwanderung von 98’851 Personen (im Jahr zuvor rund 81’000 Personen). Der Wohnungsmangel ist damit direkt im Zusammenhang mit dem Bevölkerungs- und dem Beschäftigungswachstum zu sehen. Viele Branchen sind offenbar darauf angewiesen, dass sie ausreichend Personal aus dem In- und Ausland rekrutieren können. Doch es wäre falsch, die Zahlen vom Wohnungs- und Immobilienmarkt allein unter dem Aspekt der Zuwanderung zu betrachten.
Was oft unterschätzt wird, ist die starke Nachfrage nach Wohnungen aufgrund demographischer Veränderungen. Oder etwas einfacher gesagt: In der Schweiz leben immer mehr Personen alleine in einem Kleinhaushalt. Das hat Folgen für den Immobilienmarkt: Denn schliesslich belegt jeder Haushalt eine Wohnung. Martin Tschirren, Direktor des Bundesamtes für Wohnungswesen, sagt dazu: «Rund zwei Drittel aller Haushalte in der Schweiz sind schon jetzt 1- und 2-Personenhaushalte.» Aufgrund der Alterung der Bevölkerung wird sich dieser Trend noch fortsetzen. Eine Rolle spielen auch die allgemeine wirtschaftliche Entwicklung, steigende Löhne und der Wohlstand. In den letzten Jahren hat sich ein Trend durchgesetzt, dass eben das Wohnen einen sehr hohen Stellenwert hat.
Längere Pendlerdistanzen
Die Leute beanspruchen nicht nur reichlich Wohnfläche. Es ist gar nicht so selten, dass Paare oder Familien nicht nur einen Hauptwohnsitz haben, sondern noch zusätzlich eine Zweitwohnung mieten. Das kommt etwa vor bei Patchwork-Familien, wo die Kinder abwechslungsweise in der Wohnung des einen oder anderen Elternteils wohnen. Es gibt aber noch viele weitere Gründe: Wenn längere Pendlerdistanzen zur Arbeit in Kauf genommen werden, wünschen sich viele betroffene Personen eine Zweitwohnung an ihrem Arbeitsort (pied-à-terre).
Kommt dazu, dass bei Wohnungsmangel die Verkehrsinfrastruktur mehr und mehr ausgelastet wird. Wer am Arbeitsort nichts Passendes findet, nimmt immer grössere Pendlerdistanzen in Kauf. So ist es gang und gäbe, dass Leute aus dem Wallis in den Kanton Genf oder in den Kanton Waadt pendeln. Eine Hochburg der Pendlerinnen und Pendler ist natürlich auch der Kanton Zürich. Wer etwas weiter weg im Mittelland ein Appartement mietet oder eine Eigentumswohnung kauft, spart beträchtliche Kosten und kann doch innerhalb nützlicher Frist an den Arbeitsort in Zürich pendeln.
Nutzen Sie die Reisezeitsuche auf newhome und finden Sie eine passende Immobilie innerhalb Ihrer gewünschten Reisezeit. Hier Suche starten
Links und weitere Artikel zur Wohnungsknappheit
- Runder Tisch zur Wohnungsknappheit (admin.ch)
- Zu wenige Wohnungen – Tun Sie genug gegen die Wohnungsnot, Herr Parmelin? – News – SRF
Zahlen und neue Studien zur Leerwohnungsziffer:
- Deutlicher Rückgang der Leerwohnungsziffer im Jahr 2022 – Leerwohnungszählung 2022 |
- Medienmitteilung | Bundesamt für Statistik (admin.ch)
Weitere Studien des Bundesamtes für Wohnungswesen:
Lesen Sie dazu auch unsere Artikel: