Die Immobilienbranche steht vor grossen Herausforderungen aufgrund der durch COVID-19 ausgelösten Pandemie. newhome informiert Sie hier zu den wichtigsten Brennpunkten seitens der Verbände der Immobilienwirtschaft (SVIT) und Hauseigentümerverband Zürich (HEV), der Real Estate Managementfirmen, Immobilienverwaltungen und -vermittlungen sowie seitens Finanzinstituten.
Hier die Themen aus dem online-Gespräch mit der newhome-Fachexpertenrunde:
- Immobilienverkäufe
- Selbstgenutztes Wohneigentum
- Mietermarkt
- Renditeimmobilienmarkt
- Immobilienvermittler/Immobilienmaklerbranche
- Hypotheken
- Immobiliencrash
Fachexpertenrunde newhome:
- Dieter Beeler, Geschäftsführer und Inhaber Immoprozessor GmbH, Präsident SVIT Zürich
- Albert Leiser, Direktor HEV Zürich und HEV Kanton Zürich
- Andreas Ingold, Vorsitzender der Geschäftsleitung, Livit AG Real Estate Management / Präsident SVIT Schweiz
- Bettina Eugster, Produktmanagerin Kreditprodukte SGKB
- Ruedi Tanner, Partner Wirz Tanner Immobilien AG / Präsident Schweizerische Maklerkammer SMK
- Marc Furrer, Partner und Vorsitzender der Geschäftsleitung Welcome Immobilien AG
- Severin Krebs, Inhaber Pfannenstil Immobilien
- Andreas Leu, Partner Leu & Partner Immobilien AG
- Carol Jacqueroud Saemann, Geschäftsführerin und Inhaberin jacqueroud saemann & partenaires gmbh
Immobilienverkäufe: Gibt es 2020 weniger Transaktionen am Markt?
In wenigen Wochen ist der Immobilienmarkt eingebrochen und über eine Erholung wird spekuliert. Dieter Beeler, Präsident des SVIT Zürich, geht von einer Reduktion der Transaktionen im 2020 aus: „Insbesondere Käufer von Wohneigentum sind verunsichert und überlegen sich einen Kauf nochmals. Dabei ist vor allem relevant, wie lange der Lockdown dauert und in welchen Branchen diese Interessenten tätig sind“.
Albert Leiser vom HEV Zürich bemerkt zwar eine spürbare Vorsicht, beobachtet aber auch bereits neue Kaufinteressenten, die auf den Markt drängen. Nicht zuletzt in der Hoffnung auf ein Schnäppchen: „Ob am Ende des Jahres tatsächlich substantiell weniger Objekte verkauft werden im Vergleich zu den Vorjahren, lässt sich derzeit noch nicht sagen“.
Von Seite Innerschweiz informiert Andreas Leu von Leu & Partner Immobilien AG in Luzern: „Wir sehen kurzfristig gar eine Art Stillstand auf uns zukommen. Denn bei jeder Marktveränderung gibt es eine gewisse Zeit des Unterbruchs, die auf die Unsicherheit von Käufern und Verkäufern zurückzuführen ist“.
Preiszerfall bei selbst genutztem Wohneigentum?
Die Immobilienpreise bei selbst genutztem Wohneigentum stehen durch die Corona-Krise auf dem Prüfstand. Unsere Expertenrunde sieht die Entwicklung unterschiedlich bei Wohnungen und Einfamilienhäusern. Bei ersteren prognostiziert Marc Furrer, Geschäftsleitung bei der Welcome Immobilien AG, aktuell keine wesentlichen Preisbewegung nach unten: „Laufende Verkäufe konnten ohne Preisverhandlungen abgeschlossen werden, hingegen glauben wir, dass aktuell weniger Objekte neu ausgeschrieben werden. Dies dürfte jedoch auf Gründe wie Besichtigungen, Homeoffice und allgemeine Unsicherheiten zurück zu führen sein“.
Von Seite SVIT Zürich und HEV Zürich tönt es gleich. Bei den Eigentumswohnungen, so Beeler vom SVIT Zürich, sei zudem die Entwicklung stark von der Dauer des Lockdowns abhängig. Auch die Finanzierungskosten spielten eine Rolle, welche sich bei langen Laufzeiten in den letzten Wochen deutlich nach oben orientieren.
Und Leiser fügt hinzu: „Es ich durchaus möglich, dass für die eine oder andere Wohnung nicht mehr der Höchstpreis bezahlt wird. Es zeigt sich einmal mehr, dass in Krisenzeiten Immobilien bezüglich Preiszerfall deutlich weniger gefährdet sind, als andere Anlageklassen. Bei den Preisen für Reihen- und Einfamilienhäusern hingegen rechnen wir weiterhin mit einem Seitwärtstrend. Obwohl weniger Angebote auf dem Markt sind, liegen die heutigen Preise auf einem Niveau, die aufgrund der Tragbarkeitsvorgaben oft nicht mehr finanzierbar sind.“
Andreas Leu von Leu & Partner Immobilien AG gibt zu bedenken, dass eine Preisentwicklung stark vom Segment und der Region abhängig sei. Zentrumslagen seien, unabhängig vom Segment, kaum betroffen. In der Agglomeration und den ländlichen Gebieten werden Immobilien im oberen Preissegment jedoch gemäss seiner Einschätzung unter Druck kommen.
Preiskorrekturen bei den Mieten?
Livit, eines der grössten Schweizer Unternehmen für Real Estate Management und Tochtergesellschaft des Versicherungskonzerns Swiss Life, beobachtet aktuell noch keine Auswirkungen der Corona-Krise auf den Mietermarkt. Andreas Ingold, CEO Livit erklärt „Die Preisentwicklung ist schwierig einzuschätzen, ich gehe jedoch nicht davon aus, dass die Mietpreise sinken werden. So konnten wir im April 2020 im gewohnten Umfang Umzüge verzeichnen und führten schweizweit über 1‘000 Wohnungsabgaben durch“.
Dies bestätigt auch Severin Krebs von Pfannenstil Immobilien, die bisher ebenfalls keinen Preiszerfall für Neumietobjekte festgestellt hat. Dennoch sei eine gewisse Zurückhaltung spürbar und es kämen weniger Kündigungen vor.
Ingold von Livit sieht als kurzfristiges Szenario, dass Mieter nach der Krise vor allem Beständigkeit und Sicherheit suchten; dieses Verhalten werde sich unmittelbar auswirken und weniger Umzüge seien die Folge.
Jedoch sieht er darin auf lange Frist keine anhaltende Tendenz. Wohingegen von Livit ein Trend feststellbar ist, ist bei teureren, kleineren Wohnungen. Auch Krebs von Pfannenstil Immobilien prognostiziert aufgrund der Corona-Krise (Kurzarbeit, Stellenverlust), dass vergleichsweise teure „Single-Wohnungen“ weniger nachgefragt werden.
Marc Furrer, Welcome Immobilien AG, sieht das Szenario ebenfalls differenziert: „Unsere Erfahrungen zeigen, dass Objekte an Zentrumslagen gut vermietbar sind und dies wird vorerst auch so bleiben. Der Druck dürfte jedoch an dezentralen Lagen spürbar zunehmen“.
Werden Verluste bei Renditeimmobilienobjekten hingenommen werden müssen?
Der Schweizer Immobilienmarkt verzeichnet momentan eine ungewohnt hohe Marktvolatilität. Was bedeutet das für Renditeobjekte? „Ein wichtiger Indikator für den Investmentmarkt ist der Mietermarkt. Dieser agiert aktuell etwas volatiler auf die Situation als der Transaktionsmarkt.“, so Furrer der Welcome Immobilien AG. „Jedoch ist auch im Mietermarkt eine differenzierte Betrachtung sehr wichtig. Wir spüren im Mietwohnungsmarkt aktuell noch keine wesentlichen Veränderungen. Im Bereich der Büro- und Gewerbeimmobilien hingegen sind bereits Verzögerungen in den Verhandlungen und ein Nachlass in der Nachfrage spürbar; insbesondere im Bereich der direkt betroffenen Branchen wie Gastronomie, Reisebranche oder Retailbranche. Auch zeigt sich tendenziell, dass kleinflächige Mietobjekte schneller von der Situation betroffen sein dürften. Jedoch sehen wir aktuell und in der Gesamtbetrachtung für den Investitions- und Transaktionsmarkt bei Renditeliegenschaften noch keine wesentliche Verunsicherung. Ein wichtiger Grund dafür ist sicherlich der weiterhin hohe Anlagebedarf. Die tiefen Zinsen und der volatile Aktienmarkt dürfte aus heutiger Sicht diesen Anlagebedarf in Immobilien ebenfalls unterstützen“.
Für Leiser vom HEV Zürich stellen Immobilien eine defensive, aber gut abgesicherte Investitionsklasse dar. Wohnen sei ein Grundbedürfnis und dieses müsse befriedigt werden. So könne es durchaus sein, dass die Preise kurzfristig sinken.
Ein wichtiges Argument fügt Beeler von SVIT Zürich hinzu: „Auf gut unterhaltene Renditeobjekte mit sinnvollen Preis-/Leistungsverhältnissen wird die Krise kaum Auswirkungen haben. Bei Objekten an suboptimalen Lagen oder mit zu hohen Mietzinsen kann es zu Preiskorrekturen kommen. Gut strukturierte Portfolios können diese Korrekturen ausgleichen und es ist nicht von grossen Verlusten auszugehen“.
Können Immobilienvermittler sich noch halten?
Eines ist klar, der Besichtigungstourismus hat sich auf null reduziert. Heute erscheint nur noch, so Pfannenstil Immobilien, wer wirklich interessiert sei. Laut der Leu & Partner Immobilien AG wird der Markt für Immobilienvermittler zudem schwieriger und umkämpfter, da weniger Objekte und Transaktionen auf dem Markt sind.
Dieser Meinung ist auch Ruedi Tanner von WIRZ Tanner Immobilien AG: „In den Regionen, die vom Tourismus und dem Zweitwohnungsmarkt leben, ist der Immobilienmarkt praktisch eingebrochen. Ebenfalls ist in den wirtschaftlich dynamischen Regionen ein Rückgang zu verspüren. Im städtischen Umfeld ist hingegen kein namhafter Unterschied feststellbar. Da sich jedoch generell weniger Objekte auf dem Markt befinden, wird es für Maklerbetriebe immer schwieriger“. Umso wichtiger sei es, dass die Schweizerische Maklerkammer mit ihren Mitgliedern für Qualität garantiere, so Tanner weiter, werden doch gerade in schwierigeren Zeiten die Methoden der Kundengewinnung immer fragwürdiger.
Hypotheken: Gibt es eine Verschärfung der Anforderungen für Hypotheken durch Finanzinstitute?
Banken und Finanzinstitute generell sind momentan gefordert. Eigenheimwillige oder Renditesuchende fragen sich, ob die tiefen Zinsen eine Auswirkung auf die Finanzierung von Immobilienobjekten haben werden und ob sich der Abschluss einer Hypothek schwieriger gestalten wird. Carol Jacqueroud Saemann, jacqueroud saemann & partenaires gmbh bemerkt eine Verlangsamung im Kontakt mit Finanzinstituten: „Es kommt tatsächlich zu Verzögerungen; unsere Erfahrung ist jedoch auch, dass sie gut vorbereitete Finanzierungsanfragen dennoch innert nützlicher Frist beantworten“.
Bettina Eugster, Produktmanagerin Kreditprodukte SGKB erklärt, dass die Kreditprüfung für eine Hypothekarfinanzierung weiterhin wie gewohnt nach denselben Kriterien erfolge, einzig die Beratung fände, wenn möglich, telefonisch statt. Alternativ gar mittels Online-Hypothek auch auf digitalem Weg.
Doch die Auswirkungen der Corona-Krise seien bei den Hypothekarzinssätzen spürbar, die Zinsen verhielten sich aktuell sehr volatil; eine Einschätzung der Entwicklung sei schwierig. Auch der SVIT Zürich und HEV Zürich schliessten sich dieser Meinung an. Dennoch stellen sie positiv fest, dass die Kaufinteressenten immer noch auf attraktive Finanzierungsangebote zurückgreifen können; diese seien zwar seit Ausbruch der Corona-Krise deutlich teurer geworden, im langfristigen Schnitt aber noch immer auf sehr tiefem Niveau.
Fazit: Immobilien-Crash oder leichte Korrektur
Unsicherheiten aus der Gesamtwirtschaft, verändertes Konsumentenverhalten, Lohnzerfall und steigende Arbeitslosenzahlen beeinflussen auch die Entwicklungen im Immobilienmarkt, so viel ist klar. Wird die Branche nach der Corona-Krise einen Crash erfahren, wird es weniger Transaktionen geben, ändert sich die Nachfrage nach Mietwohnungen, werden Leerstände in peripheren Lagen zunehmen und die Mieten für neu angebotene Wohnungen sinken? Die Einschätzung unserer Immobilienexperten ist vorsichtig positiv. Die Fachexpertenrunde aus Verbänden, Real Estate Managementfirmen, Immobilienverwaltungen und Finanzinstituten rechnen bei weitem nicht mit einem Immobilien-Crash. Verbandsexperten Beeler (SVIT Zürich) und Leiser (HEV Zürich) sehen keinen Zusammenbruch des Immobilienmarktes auf die Schweiz zukommen; auch nicht, wenn es zu Korrekturen und teilweise höheren Leerständen kommen werde. Krebs von Pfannenstil Immobilien verneint den Crash und verweist zudem auf die Erfahrungen vor den Jahren 2000: „Wir haben aus den 1990-igern gelernt und die SNB macht mit ihren Vorgaben einen wirklich guten Job“.
*Titelbild: Immobilienmarkt in der Coronakrise (Foto: epr/Baufi24/©Eisenhans/Fotolia_77936616_X)
Vielen Dank für die unterschiedlichen Stellungnahmen und Einschätzungen. Ich persönlich glaube, dass es nun darauf ankommt, dass Europa und die Welt solange kein Impfstoff da ist, die Pandemie kontrollieren muss. Das heisst, solange Wirtschaft, Industrie, Gastronomie usw. nicht wie vorher arbeiten kann, müssen wir abwarten und das bedeutet Standby Betrieb. Konkret, genaue Einschätzungen oder Prognosen sind nicht oder nur überschlägig möglich.
mit freundlichen Grüssen aus dem Münstertal
Heinrich Wittmer
Vielen Dank für Ihren Kommentar, ja, dem ist so!
Stefan Kreidler (Dr. oec. publ.)
„Prognosen sind schwierig, vor allem wenn sie die Zukunft betreffen.“
Aus ökonomischer Sicht sind einige Fakten klar: Das Finanzsystem ist aufgebläht und wird durch die aktuellen Massnahmen weiter aufgebläht. Welche Auswirkungen sich aus einem möglichen Zusammenbruch des Währungs- und Finanzsystems ergeben ist nicht abschätzbar, man erinnere sich jedoch zurück an die Anfänge des Zusammenbruchs des Bretton-Woods-Systems. Lange Jahre hat sich die ‚Finanzwelt‘ hinter der Bühne auf Massnahmen geeinigt – ähnlich wie dies heute auch die SNB macht. Es kommt der Punkt, an dem solche Massnahmen nicht mehr haltbar bzw. nicht weiterführbar sind. Die getroffenen bzw. ‚aufgelaufenen‘ Massnahmen führen dann zu massiven Korrekturen im ‚Geldsystem‘ inklusive der Korrektur der ‚aufgeschobenen Inflation‘. Und das Inflationspotential ist gross, denn jahrzehntelange globale Schuldenwirtschaft lässt sich nicht ohne ‚reibungsverluste‘ aufllösen.
Was bedeutet dies für die Immobilienmärkte?
Besitzer werden sich an ‚Ihrer‘ Substanz halten und diese im Wert hoch beurteilen – die Preise reflektieren die Inflationserwartungen. Potentielle Käufer werden wir z.t. oben beschrieben einerseits auf Schnäppchen hoffen und andererseits in Erwartung von Inflation auf eine hohe Fremdfinanzierung mit ‚fester‘ Verzinsung und langen Laufzeiten setzen. Der ‚Finanzmarkt‘ zeigt dies durch steigende Zinsen. Käufer spekulieren darauf, dass die Inflation die Zinsen übertrifft und dadurch das Objekt ‚billiger‘ wird.
Es zeigt sich einmal mehr, dass Ökonmie die Zukunftserwartungen vorweg nimmt. Die individuellen Erwartungen sind massgeblich für unsere Entscheidungen. Ob diese Erwartungen durch Angst oder Opportunitätsdenken oder durch beides getrieben sind und wie sich dies ‚in der Summe‘ auswirkt, zeigt die Zukunft. Nur eins scheint klar: Die ‚Substanz‘ ist einmal mehr im Vorteil ggü. der ‚Finanz‘, denn Preise und Zinsen sind nur Zahlen, die sich sehr rasch den Erwartungen anpassen. Inflationserwartungen sind in solchen Analysen in jedem Fall zu berücksichtigen, wenn nicht ‚hohle Bilanzen‘ statt reale Werte im Fokus stehen sollen.
interessant die Beurteilung der Lage
lieber Gruss
Willy